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Tochter des Windes - Roman

Tochter des Windes - Roman

Titel: Tochter des Windes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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er seine Frau. Die junge Azai kam auch und wurde Zeugin, wie beide weinten und wie auch ›Onkel Jan‹ seine Erschütterung nur mit Mühe verbergen konnte.«
    Während Mia erzählte, kam mir wieder der Traum in den Sinn. Diese Frau, an die ich mich so deutlich erinnerte. Wie konnte sie mit schwarzen Zähnen so umwerfend schön sein? Verrückt!
    Â»Ich sehe da beim besten Willen keinen Zufall«, sagte ich, ohne zu wissen, warum ich das eigentlich sagte.
    Mia wirkte verunsichert.
    Â»Oh, hast du ein besseres Wort dafür?«
    Â»Schicksal?«, schlug ich vor. »Das hat doch was, in seiner Unlogik.«
    Sie zögerte.
    Â»In diesem ganz bestimmten Fall? Es könnte ja sein …«
    Â»Und wer war der Bauherr?«, fragte ich. »Konnte Yoshiaki das herausfinden?«

    Mia sah mich umflort an.
    Â»Stell dir vor, es war Oda Nobunaga.«
    Â»Ach du grüne Neune!«, entfuhr es mir.
    Ausgerechnet Oda Nobunaga, der bedeutendste und eigenwilligste Daimyo seiner Zeit. Zweite Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts. Ein Monument sozusagen.
    Â»Das macht die Sache ja so verrückt«, sagte Mia.
    Verrückt war die Sache allerdings. Über Nobunaga hatte ich einiges gelesen. Der Mann musste ziemlich schrill gewesen sein.
    Â»Was für ein Mensch war er?«, fragte ich.
    Mia runzelte die Stirn.
    Â»Sehr eigenwillig, sehr widersprüchlich. Als Heranwachsender prügelte und betrank er sich mit Gleichaltrigen, ohne Rücksicht auf seinen hohen Rang in der Gesellschaft und am kaiserlichen Hof. Er glaubte an nichts, und nichts war ihm heilig. Er hasste alle Bräuche, ob sie überholt waren oder nicht. Er hasste jeden Gehorsam, ob das Gesetz gut war oder schlecht. Das Volk aber liebte ihn, weil er seine Kleider verschenkte und Gold in die Menge warf. Als er an die Macht kam, war ein Gegner für ihn tot, wenn er nicht bereit war, sein Verbündeter zu sein. Daneben duldete er kein Unrecht. Wer in Bedrängnis kam, konnte auf ihn zählen. Er war auch kein Verräter; drohte Gefahr, schlug er als Erster zu und siegte auf diese Weise fast immer. Er war unberechenbar, kaleidoskopisch, ein brutaler Rüpel und ein raffinierter Stratege. Und ein begabter Tänzer, Musiker und Dichter.«
    Â»Ein explosiver Typ, wie mir scheint. Haben sich die Missionare an ihn herangetraut?«
    Â»Oh, das war gar nicht so schwierig. Die Missionare brachten Sachen nach Japan, die er haben wollte. Zum Beispiel Musketen.«
    Â»Ach, und was war mit der Menschenliebe?«

    Mia rollte die Augen.
    Â»Später, im Himmel!«
    Â»O.k.«, sagte ich. »Wenn er seine Gegner massenhaft umbringen wollte, brauchte er natürlich Musketen …«
    Â»Alles Technische faszinierte ihn. Er sammelte Spielzeugautomaten, zwitschernde Tabakdosen, Nüsse knackende Uhren.«
    Â»Das Kind im Manne?«
    Â»Ja, aber er ließ sich auch zeigen, wie man Reben anpflanzt…«
    Â»Und wurde sein eigener Weinproduzent?«
    Â»Du sagst es.« Mia lachte. »Er war einfach seiner Zeit voraus. Und steinreich, wie er war, leistete er sich jede Laune. Für ihn gab es nichts, das zu kostspielig war. Die Missionare erfüllten ihm jeden Wunsch.«
    Â»Und dachten, noch etwas Geduld, bald ist er ein guter Christ! Wenn er doch schon seine Kleider verteilt …«
    Mia lachte laut.
    Â»Nobunaga ließ sie nach ihrer eigenen Musik tanzen.«
    Â»Wie soll ich das verstehen?«
    Â»Wörtlich. Er führte ihnen einen Fächertanz vor und ersuchte sie danach höflich, sie möchten ihm doch eine Pavane vortanzen, bitte.«
    Â»Guter Gott im Himmel!«
    Â»Das sagten die Missionare wahrscheinlich auch.«
    Â»Und sein Schloss?«
    Â»Das war auch ein Grund, warum er die Jesuiten freundlich empfing. Sie hatten ihm nämlich Bücher gezeigt, mit Bildern von der Sixtinischen Kapelle. Die gefiel ihm sehr. Und er ordnete an, dass sein neues Schloss auf dem Berg Azuchi die gleiche Kuppel tragen sollte.«
    Â»War dieser Wunsch nicht ein wenig vermessen? Was sagten denn die Missionare dazu?«

    Â»Ich glaube, ihnen blieb die Spucke weg.«
    Die Arbeiten dauerten drei Jahre, erzählte Mia, und stellten den Baumeister vor etliche Schwierigkeiten. Es war nämlich nicht üblich, dass die Baumeister jener Zeit Pläne verfassten. Sie »visualisierten« das Gebäude und schufen ihre Werke sozusagen modellierend. Das war gar nicht so kompliziert, weil

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