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Tochter des Windes - Roman

Tochter des Windes - Roman

Titel: Tochter des Windes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Stil.«
    Â»Stil hat man, oder hat man ihn nicht!«
    Die Samurai imponierten mir. Tolle Typen, eigentlich! Auch ihre Art, sich mit Eleganz zu entleiben, sobald man ihre Ehre empfindlich kitzelte, fand ich  – wenn auch nicht nachahmenswert  – immerhin bemerkenswert.
    Â»Es waren unruhige Zeiten«, fügte Mia erklärend hinzu. »Es gab Hungersnöte und Bürgerkriege, alles ging drunter und drüber. Und plötzlich kamen die Missionare und predigten : Liebe deinen Nächsten!«
    Â»Wenn nicht hier auf Erden, dann im Himmel«, seufzte ich. »Das immerhin war garantiert.«
    Â»Sie fanden Anhänger«, sagte Mia. »Die Regierung wurde argwöhnisch. ›Liebe deinen Nächsten‹ war nicht ihr Ding. Den frischgebackenen Christen wurde das Leben schwer gemacht. Sie revoltierten. Es gab ein Gemetzel und viele Hinrichtungen, und 1622 wurden alle Ausländer vertrieben. Ab und hinaus!«
    Eine notwendige Radikalkur sei das gewesen, meinte Mia. Die Tolteken, Azteken oder wie auch immer sie hießen, hatten ihre Fremden zu respektvoll empfangen. Es machte schon einen Unterschied, ob man einen weißen Gott oder einen Keto vor sich hatte. Ballerten die Musketen, fielen die Indianer wehklagend auf die Knie. Die Japaner sahen sich die Sache an und fragten cool: »Wie funktioniert das, bitte?«
    Mia erzählte mir, was sie selbst über die Vorgeschichte von Letzels Entdeckung wusste. Als entscheidend sollte sich erweisen, dass die Missionstätigkeit der Europäer in Japan unterbunden wurde. Hierzulande war man pragmatisch. Der Seehandel war wichtig, der musste erhalten bleiben. Aber die Nanbanjin sollten nicht wieder mit ihrer unpassenden religiösen
Botschaft umherziehen. Folglich wurde Nagasaki die einzige Stadt, die fremde Schiffe anlaufen durften. Hier wurden alle Geschäfte abgewickelt, der Tauschhandel blühte. Eine Insel nahe dem Festland wurde den Ausländern als Aufenthaltsort zugewiesen. Hier bleibt ihr und rührt euch nicht vom Fleck! Zugegeben, die Japaner hatten das clever gemacht. Und zweihundert Jahre lang herrschte missionarische Ruhe.
    Inzwischen segelten die so rüde hinauskomplimentierten Jesuiten nach Europa zurück. So kam es, dass der Bauplan, den Letzel später in dem montenegrinischen Kloster entdecken sollte, mit anderen Gegenständen zunächst nach Lissabon, dann nach Rom gelangte, wo er in den Archiven des Vatikans verstaubte. Irgendwann wurde er gestohlen oder verkauft, war viele Jahre lang verschollen und tauchte plötzlich bei Privatleuten auf. Hier wechselte er mehrmals den Besitzer. Der Abt, der Letzel die Odyssee erzählte, wusste nicht mehr, auf welchen Wegen die Schriftrolle letztlich im Kloster gelandet war. Letzel gab ihm zu verstehen, dass er in seiner Eigenschaft als Architekt das Kuriosum gerne erwerben würde. Der Abt war erfreut und feilschte, wie es sich gehörte. Der ausgehandelte Betrag fiel nicht dem Opferstock zu, sondern verschwand in einer schmuddeligen Soutanentasche. Und ein paar Jahre später, als Letzel sich nach Japan einschiffte, hatte er die Schriftrolle im Gepäck. Er wollte der Sache auf den Grund gehen.
    Mia hatte sich, wie man so schön sagt, den Mund fusselig geredet. Sie schnappte nach Luft, und ich goss ihr ein Glas Wasser ein.
    Â»Oh, danke«, keuchte sie. »Tut mir leid, ich bin heiser geworden …«
    Â»Kannst du noch weiterreden?«
    Â»Oh ja, oh ja …«
    Sie trank einen langen Schluck.

    Â»Obwohl Letzel von dem Bauplan nach wie vor fasziniert war, hatte er sich oft gefragt, ob der Abt ihm nicht eine Fälschung untergejubelt hatte. Dass Jesuiten in Besitz eines japanischen Bauplans gekommen sein sollten, war höchst unwahrscheinlich. Letzel wollte sichergehen, alle Zweifel ausräumen. Dr. Koga war ein Mann von umfangreichem Wissen. Und als Arzt war ihm die lateinische Sprache selbstverständlich vertraut. Letzel zeigte ihm den Bauplan und bekam bestätigt, dass die Schriftrolle echt war. Doch seine nächste Frage, nämlich ob ein solches Gebäude jemals in Japan errichtet worden war, löste wie ein Blitz aus heiterem Himmel eine Kette unerwarteter Reaktionen aus. Denn kaum hatte Dr. Koga den Namen des Baumeisters entziffert, als ihn eine heftige, fast krampfartige Ergriffenheit packte. Es sei sein direkter Vorfahre, stammelte er, der dieses Bauwerk für einen Daimyo errichtet habe! In höchster Erregung rief

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