Tod am Chiemsee (German Edition)
Schaden
anrichtet. Noch hat sie niemand in die Hände bekommen, und in deinen würde ich
sie am liebsten sehen.«
»Ich nicht, sie würden Feuer fangen.«
»Das sollen sie auch.«
»Wer hat Gerlinde getötet?«, fragte Althea.
»Woher weißt du, dass es Mord war?«, fragte Kath und sah sie
gespannt an.
»Ich weiß es nicht, es ist nur ein Gefühl«, gab Althea zu. »Aber ich
vermute, der Kriminalkommissar wird noch heute mit einer Antwort zurückkommen.«
»Mit einer Antwort und dazu mit einer anständigen Portion Wut im
Bauch, weil er die andere noch nicht hat – die andere Antwort.« Die alte Kath
stieß mit ihren Füßen die Schaukel wieder an. »Gerlinde hat eine Kopfwunde. Das
hab ich gesehen, ich habe sie gesehen, aber nicht
ihren Mörder«, sagte sie.
33
Ginster (Cytisus scoparius)
Standort: Sonnig, trockene, kalk- und stickstoffarme, auch felsige oder sandige Böden.
Wissenswertes: Der Ginster gehört zu den Schmetterlingsblütengewächsen und ist in der Lage,
mit Hilfe von Knöllchenbakterien an den Wurzeln Stickstoff aus der Luft zu
binden und zu verwerten. Besenginster ist auch eine Arzneipflanze mit
herzberuhigender Wirkung. Bei Überdosierung besteht allerdings die Gefahr einer
Lähmung der motorischen Nervenenden und eines Herzstillstands.
Es war nicht viel passiert. Genau genommen war gar nichts
passiert, seit die alte Kath die ermordete Gerlinde Dissler in ihren
Halbwachträumen gesehen hatte.
Nicht viel war passiert und trotzdem eine Menge, denn der Chiemsee
verlor an Substanz, während jemand eine ganz andere Substanz unter allen
Umständen ans Licht holen wollte, und jemand anderer genau das auf Leben und
Tod verhindern musste.
Bestimmt wurde Arthur Barhaupts nächster Artikel schon gespannt
erwartet. Falls man den Journalisten, diesen Schlammaufwühler, nicht schon
beiseite geräumt hatte.
»Nein, wünschen tue ich nichts. Niemandem«, sagte Althea. »So viele
Geheimnisse, und wenigstens eines davon ist einen Mord wert. Welches? – Du
weißt es.« Sie schlüpfte seufzend unter ihre leichte Sommerdecke und schenkte
ihrem Christus noch einen letzten Blick.
Der Wind frischte auf, Althea konnte es hören. Vielleicht würde es
ein Gewitter geben. Die Wolken hatten sich schon zu dunklen Türmen
zusammengeschoben, als sie das letzte Mal aus dem Fenster geschaut hatte.
Aber es wird ja nicht jedes Mal etwas passieren, wenn ein Sturm
aufzieht, beruhigte sich Althea.
Sie drehte sich auf die andere, nicht ganz so stürmische Seite.
Stefan war immer noch in München. Und wenn er schließlich wieder
ganz in der Stadt blieb, weil der Fall abgeschlossen war … »Dann wird er mir
fehlen«, flüsterte Althea.
Unvermittelt flogen dicke Tropfen an die Scheiben, und sie drehte
sich wieder in Richtung des Fensters.
Etwas blinkte auf. Mehrmals. Das war nicht das Leuchten der
Sturmwarnlampen.
Als Nächstes hörte Althea ein eigenartiges Schaben. Sie schlug die
Decke zurück, stand auf, schlich sich ans Fenster. Und weil es schließlich ihr
Fenster und ihr Zimmer waren, streckte sie doch den Kopf hinaus.
Es regnete überhaupt nicht. Es gab auch kein Gewitter. Das Leuchten
kam von einer Taschenlampe, und die dicken Tropfen waren Kieselsteine, die
jemand an die Scheibe warf. An der Mauer unter ihr lehnte eine Leiter, und eine
kleine Gestalt schickte sich gerade an, heraufzuklettern.
»Maximilian, findest du wirklich, dass ich die richtige Anlaufstelle
zum ›Fensterln‹ bin?«, fragte sie einigermaßen belustigt.
»Absolut! Aber das will ich ja gar nicht, Sie haben mich bloß nicht
gehört, und es eilt. Sie müssen mitkommen! Sie können hier runterklettern.« Er
trat den Rückzug an, sodass Althea sich über die Brüstung schwingen konnte.
Nur, warum sollte sie das tun? »Schön«, flüsterte sie mit sich. »Ich
kann ihn nachher noch fragen, was er so spät da draußen macht. Außerdem ist
nicht mit einer Falle zu rechnen, nicht bei Maximilian. Ein wenig Vertrauen,
Althea.«
Zu Maximilian sagte sie: »Ich bin gleich wieder da, ich ziehe mir
nur was an. Sonst gibt es noch so ein tolles Foto wie das neulich.«
»Machen Sie schnell, sonst hat er, was er will.«
Das war nicht unbedingt beruhigend. Althea hätte zu gern gewusst,
was gerade passierte oder was schon passiert war – vielleicht etwas mit
Friederike? Das musste sie klären, jetzt sofort.
»Maximilian, ist mit deiner Oma alles in Ordnung?«, rief sie ihm zu.
»Ich würde sagen, sie schläft.«
Gut, also ging es nicht um Friederike.
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