Tod am Chiemsee (German Edition)
Althea schmunzelnd.
»Und jetzt erlaube mir die Frage, was du so spät abends auf dem Friedhof
machst.«
»Doch nicht auf dem Friedhof«, sagte Maximilian. »Ich wollte zum
Strand und da hab ich den Maskierten herumschleichen sehen. – Sollten wir nicht
schauen, was der gesucht hat?«
Das sollten sie wirklich, bevor noch jemand auf den gleichen
Gedanken kam.
Über diesem Grab stand ein schön gearbeitetes, großes Holzkreuz, von
eisernen Rosenranken umspielt. In dem Familiengrab würde wohl auch Gerlinde
Dissler ihre letzte Ruhe finden.
»Leuchte mal hierher«, bat Althea Maximilian.
»Au ja!«, sagte er freudig. Wahrscheinlich hatte er geglaubt, sie
würde ihn nach Hause schicken. »Also, mein Versteck wäre hinter diesem Ding da.
Sonst gibt es hier ja nicht grade viel, wo man was verstecken kann.«
Besagtes Ding da saß genau in der Mitte des Kreuzes. Irgendwie unpassend auf einem Holzkreuz,
weil es aussah wie ein kleiner Deckel aus Porzellan, auf dem sich sonst Bilder
der Verstorbenen befanden.
»Dann … machen wir es auf«, sagte Althea. Sie hatte eher an Fotos
und Notizen gedacht, und so etwas hätte hinter einem Porzellandeckel keinen
Platz. Trotzdem, es war einen Blick wert, fand sie. Etwas in der Erde zu
verstecken war unsinnig. Falls hier überhaupt etwas versteckt war.
Sie entschuldigte sich im Geiste bei den Toten und stieg mit ihren
Turnschuhen wieder ins Grab. Die runde, gewölbte Fläche saß fest auf dem Holz,
erfolglos versuchte sie, ihre Finger unter den schmalen Rand zu bekommen und
das Ding herauszunehmen.
»Lassen Sie mich mal«, sagte Maximilian und legte seinen
geheimnisvollen Stoffbeutel auf den Boden neben den Rechen. Althea räumte
ihren Platz vor dem Kreuz und übernahm die Taschenlampe.
Maximilian bewegte den Deckel nach rechts, und als hätte er die
richtige Kombination für einen Tresor eingestellt, fiel ihm das Porzellan in
die offene Hand. »Ich hoffe, ich bekomme den wieder drauf«, sagte er. »Da … da
ist wirklich was drin. Sieht aus wie eine Speicherkarte.« Maximilian stieß
einen leisen Pfiff aus. Er überließ es Althea, die kleine Karte einzustecken,
und brachte den Porzellandeckel wieder an.
»War das Ihre böse Vermutung? Dann ist da was Scheußliches drauf,
oder?«
»Da muss doch noch etwas anderes sein.« Althea kniff die Augen
zusammen. Vielleicht konnte man ja, ähnlich wie bei dem kleinen Kreuz, das sie
Tobi gegeben hatte, auch an diesem etwas aufschieben?
»Auf solchen Speicherkarten haben jede Menge Daten Platz«, versuchte
ihr Maximilian zu erklären.
»Ja, ich weiß. Aber ich suche nach alten Fotos, und die müssen zu
einer Zeit gemacht worden sein, als man weder Computer noch Digitalkamera
kannte. Und diesmal bin ich, glaube ich, diejenige, die weiß, wo sie sind.«
Maximilian wartete gespannt. Tatsächlich ging Altheas Rechnung auf;
die Rückseite des Längsbalkens ließ sich herausschieben.
»Cooler Trick«, fand Maximilian.
»Tolle Teamarbeit«, sagte Althea.
Sie nahm die Bilder heraus. Würde sie sich das gesammelte Material
anschauen? Oder …
Wollte sie wirklich wissen, wie schändlich Gerlinde gewesen war, wem
sie wehgetan hatte und wer alles ein Motiv gehabt hatte, sie zu töten? War der
Zorn erkaltet oder war er ganz frisch?
Zu viele Fragen.
Der Gedanke an die Fotos erschreckte sie, dabei wusste Althea noch
gar nicht, was sie zeigten. Aber denken konnte sie es sich. Die Speicherkarte
würde sie Stefan geben, weil sie sonst Beweismaterial zurückhielt.
Sie griff nach dem Spaten, der ihr in dieser Nacht nicht den
kleinsten Dienst erwiesen hatte. Aber wenigstens war nichts Unappetitliches
aufgetaucht. Nichts Totes.
Maximilian benutzte den Rechen, um ihre Spuren auf dem Grab zu
verwischen. »Da kann nichts mehr auferstehen«, sagte er mit einigem Bedauern.
Wie wahr. Aber wenn Gerlindes Leiche erst freigegeben war, dann
würde der kleine Bagger die Bepflanzung dem Erdboden gleichmachen, um das Loch
für den Sarg auszuheben. Anschließend musste das Grab ohnehin neu bepflanzt
werden.
»Kann ich das zu deinen Einkäufen stecken?«, fragte Althea und
meinte Maximilians Beutel. Sie wollte nicht mit den Bildern über den Friedhof
laufen und im Dunkeln womöglich etwas davon verlieren.
»Schon, aber … also, eigentlich hab ich ja noch was vor«, sagte er.
Althea fiel wieder ein, was Maximilian vorher gesagt hatte.
»Du willst zum Strand. Hast du Ärger mit deiner Oma, brauchst du
Asyl?« Althea hoffte ein bisschen, dass das nicht der
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