Tod am Chiemsee (German Edition)
einsehbar und mit einem Vorhang, den man zuziehen
konnte, wenn man wollte; zu zweit genau das Richtige. Ein Sommernachtstraum.
Nur war sie allein, und es dämmerte allmählich.
Bene entzündete einige Laternen und stellte sich mit einem langen,
breiten Ruder in den Bug des Bootes.
Friederike hörte das Spritzen des Wassers, das Geräusch war
überlaut. Sie fühlte sich komisch.
Benedikt Lanz’ Bewegungen waren zügig und fließend. Gut gelaunt
sagte er: »Also, die Sache mit dem Singen lassen wir, aber sonst … gern zu
Diensten, du neugieriges Weib. Wir lassen uns Zeit. Du wirst sehen, es lohnt
sich.«
Was redete er da? Er hatte doch gesagt, alkoholfrei. Vielleicht
hatte er nur sich gemeint, und in ihrem Glas war etwas anderes gewesen.
»Was war in meinem Glas?«, fragte sie. Sie klang etwas panisch, die
Welt um sie her begann sich an den Rändern zusammenzuziehen.
»Um dich tut es mir nicht leid. Ich werde dich zurückbringen, aber
es wird zu spät sein.« Sie sah die Befriedigung in seinem Gesicht.
»Ich verstehe nicht.« Sie musste sich anstrengen, um im Hier und
Jetzt zu bleiben, nicht abzutauchen, sich nicht fallen zu lassen.
Etwas schlängelte sich über die Planken des Bootes, richtete sich
auf … was war das? Lieber Gott, was war das? Friederike schlug mit den Händen
danach, und Benedikt Lanz lachte.
»Ich verstehe nicht«, wiederholte sie hilflos.
»Da sind wir schon zwei. Wen soll die schöne Nonne ermordet haben?«
»Bitte … bitte hilf mir!«, flehte Friederike. »Sie sind überall …«
»Jetzt bist auch du in der Hölle angekommen«, sagte Bene. Er zog das
Ruder aus dem Wasser und legte es vorsichtig im Boot ab, dann klopfte er ein
Kissen zurecht und machte es sich im Bug gemütlich.
Friederike schrie, sie wollte es jedenfalls, doch ihre Stimme
gehorchte ihr nicht länger.
»Ich werde dir mein Leben erzählen, und es ist mir ganz gleich, Frau
Richterin, ob Sie mich freisprechen.«
Sein Leben. Und ihres?
Gift. Friederike war inzwischen sicher, dass er ihr etwas gegeben
hatte. Und dann hatte er ihr Glas in den See geworfen. Entsorgt. Denk nach,
denk nach!, mahnte sie sich, aber es ging einfach nicht. Es ging nicht.
Und dazwischen seine Stimme … »Ich konnte doch nicht zuschauen. Es
war mein Lebenswerk.«
Sein Sohn war ziemlich früh an Krebs gestorben, und Bene hatte seine
ganze Hoffnung auf die Zukunft gesetzt und auf seine beiden Enkel. Moritz und
Lukas; so verschieden wie der Tag und die Nacht. Der eine ein tüchtiger,
gewandter und kunstfertiger junger Mann und der andere das genaue Gegenteil:
ein Sandler, ein Hallodri und Taugenichts. Die Chiemseewerft stand gut da,
erwirtschaftete Gewinne und baute schnittige Boote für Kunden in aller Welt –
bis nach Übersee wurden die für den Segelsport konzipierten Boote und Yachten
verkauft.
»Und dann … Moritz und eine Bankierstochter!« Ein hohles Lachen. Von
Banken nahm Benedikt Lanz höchstens einen Kredit, wenn es nicht anders ging,
aber ansonsten verabscheute er diese Bande von Halsabschneidern. »Das konnte
ich nicht zulassen.«
Dass eine von denen seinen Moritz wegschnappte. Und als auch noch
Lukas, sein anderer Enkel, feststellte, dass ihm Theresa gefallen könnte, und
die Brüder wegen des Mädchens in erbitterten Streit gerieten, da blieb ihm
keine andere Wahl.
Benedikt redete mit Theresa Biedermann, schlug ihr in seiner
Verzweiflung sogar vor, Lukas zu nehmen, denn der hatte im Leben nicht Moritz’
Talent und dessen wachen Verstand.
Die Bankierstochter lachte über seinen Vorschlag. »Sie hat mir etwas
von bedingungslosem Vertrauen erzählt, von wahrer Liebe.« Und da gab es
plötzlich nur noch eine Möglichkeit, er musste sie loswerden.
Er lauerte Theresa Biedermann eines Nachts auf und erwürgte sie.
Doch was er nicht ahnen konnte, war, dass Moritz die Tat beobachtet hatte. Er
hatte gewusst, dass sein Bruder Theresa nachstellte, und das Mädchen hatte ihm
erzählt, Lukas würde ihr Angst machen. »Moritz war wie von Sinnen, er ging auf
mich los. Und dann … dann stürzte er mit dem Kopf auf die Steinmauer.«
Benedikt Lanz musste die beiden in seinem Boot zur Werft bringen.
Dort lag ein alter Übersee-Schrankkoffer aus dem 19. Jahrhundert, den
einer der Vorfahren für eine seiner Fahrten über den Atlantik benutzt hatte. Er
entfernte die Seitenfächer und legte die beiden Leichen hinein. Jetzt bekam
Moritz seine Theresa doch noch.
Benedikt ruderte den Koffer zur tiefsten Stelle im Chiemsee, um ihn
zu
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