Tod am Chiemsee (German Edition)
jedenfalls sauer. Sie hat wieder mit sich selbst
geredet und getobt, er sei ein hinterhältiger Lügner.«
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Immergrün (Vinca minor)
Standort: Schattig, lockere, kalkhaltige, lehmige Böden.
Wirkungsweise: Blutstillend, blutdrucksenkend, beruhigend, schlaffördernd. Die Pflanze enthält
Alkaloide. Bei Überdosierung können Übelkeit, Erbrechen und Schwindel
auftreten.
Wissenswertes: Das Immergrün kommt meist in Laub- und Mischwäldern vor. Es kann dann große
Teile des Waldbodens überziehen. Von der Antike bis zum Mittelalter wurde die
Pflanze fast als Allheilmittel angesehen, zu Beginn der Neuzeit geriet ihr
Gebrauch in Vergessenheit. Vor einigen Jahrzehnten wurden Mediziner und
Pharmakologen wieder auf das Immergrün aufmerksam, und heute zählt es zu den am
besten untersuchten Arzneipflanzen überhaupt.
Sie stampfte wütend auf. Gut, dass nach diesem Wochenende
alles vorbei war – ihre Tochter kam zurück und verfrachtete Maximilian wieder
nach München, wo er tun konnte, was ihm gefiel, und ihr nicht länger auf die
Nerven ging.
Friederike fragte sich, was ihn an Marian Reinhart faszinierte. Es
hatte so ausgesehen, als wären sich die beiden schon öfter begegnet. Da war
etwas wie Vertrautheit.
Ach, du spinnst ja, er ist ein Kind, sagte sie sich. Sie würde sich
ganz sicher nicht den Abend verderben, indem sie zuließ, dass ihre Gedanken
sich mit ihrem oberschlauen Enkel beschäftigten.
Vielleicht sollte sie sich ein bisschen über das Wasser gondeln
lassen. Womöglich würde sie ja mit Lukas in See stechen? Friederike schaute
sich um.
Althea hatte ihr die Wahl gelassen, und die ehemalige Richterin
überlegte, ob es sein konnte, dass Marian sich Lukas geschnappt hatte –
irgendwann. So etwas wie Zurückhaltung hatte es für sie nie gegeben.
»Sie sehen viel zu ernst aus, ein Lächeln würde Ihnen weitaus besser
stehen«, sagte Benedikt Lanz und reichte ihr ein Glas Bowle. Und jetzt musste
Friederike lächeln. Dann unternahm sie die Gondelfahrt eben mit Bene Lanz.
Vielleicht war diese Variante gar nicht so schlecht.
Sie hatte vorgehabt, Lukas auflaufen zu lassen. Das hatte sie immer
noch vor. Wenn er derjenige war, der Moritz und Theresa in diesen Koffer
gepackt hatte, dann war die Reise jetzt zu Ende. Dafür würde sie sorgen.
Die Erkenntnis war ihr erst gekommen, als er von Moritz’ USA -Angebot erzählt hatte. Da wusste Friederike, dass
Lukas alles versucht hätte, Theresa hierzubehalten, so wie er zuvor alles
versucht hatte, sie in sich verliebt zu machen.
»Wir waren beide chancenlos«, flüsterte Friederike.
»Vergessen Sie für einige Zeit den Enkel und fahren Sie mit dem
Großvater über das bayerische Meer«, schlug ihr Bene Lanz vor und prostete ihr
zu. »Ohne Alkohol«, sagte er, »sonst rupft mich Schwester Althea.«
»Ja, da müssen Sie wirklich aufpassen, sie mordet gern«, sagte
Friederike. Benedikt Lanz hielt es für einen Scherz, das konnte sie in seinem
Gesicht lesen. Allerdings für einen ziemlich schlechten.
»Gift«, sagte Friederike. »Damit kennt sie sich gut aus.« Aus
welchem Grund erzählte sie das eigentlich?
Wahrscheinlich schmeckte die Bowle deshalb ein wenig abenteuerlich,
weil Althea für die Zusammensetzung der Aromen und Kräuter verantwortlich
zeichnete.
»Das ist kein Kunststück«, gab Bene locker zurück. »Wo hier in den
Bauerngärten Trompetenbäume wachsen.«
Trompetenbäume. Was auch immer das sein sollte.
Friederike nahm einen großen Schluck und versuchte, beim Schlucken
die Luft anzuhalten. Das Gebräu schmeckte wirklich grauenhaft, und sie war
froh, als sie endlich den Boden des Glases sehen konnte.
Friederike schwankte leicht, wahrscheinlich lag es an ihren Schuhen
und dem unebenen Rasen.
»Alles in Ordnung?«, erkundigte sich Bene. »Kommen Sie, ein bisschen
frische Seeluft tut Ihnen gut.«
Er nahm Friederike das leere Glas aus der Hand und lotste sie zum
Bootssteg.
Frische Seeluft, bei Schwüle und Temperaturen um die fünfundzwanzig
Grad. Daran glaubte sie nicht. Dafür fühlte sie sich tatsächlich an Venedig
erinnert. Hinter ihr klatschte etwas ins Wasser, aber sie konnte nicht sehen,
was es war, und achtete auch nicht weiter darauf. Es fiel ihr schwer, klar zu
denken, überhaupt zu denken. Althea zog vielleicht auch in ihrem Klostergarten
Trompetenbäume.
Bene half Friederike beim Einsteigen. Er hatte aus einem einfachen
Boot etwas Hübsches gemacht. Es war zum Teil überdacht mit einem Stoffbezug,
die kleine Kabine nicht
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