Tod am Chiemsee (German Edition)
beugte sich über den am Boden
liegenden Benedikt Lanz, der sich den Arm hielt.
»Wenn Sie irgendwas versuchen, ist es für Sie beim nächsten Mal
vorbei – und zwar endgültig«, sagte er eisig. Was bedeutete, er hatte den alten
Mann getroffen, aber nicht tödlich.
Altheas Blick hetzte weiter. Der Mond erhellte die Dunkelheit, doch
gerade hatten sich kleine Wolkenfetzen vor seine Scheibe geschoben.
»Schwester Althea?«, sagte da jemand hoffnungsvoll. Althea konnte
das Häuflein im Mondschatten erst sehen, als die Wolken das Licht wieder
freigaben.
»Maximilian … und Tobi … oh, Gott sei’s gedankt!«
Der Morgen zupfte an den Rändern der Nacht und verwischte ein
wenig die blutigen Erinnerungen.
Die Kugel war in Benes Arm eingedrungen und hatte Muskelgewebe
verletzt, sodass er ihn vielleicht nie wieder uneingeschränkt würde benutzen
können. Aber wen kümmerte das?, dachte Althea.
Stefan hatte abgedrückt, als Lanz gerade erneut sein Messer gezückt
hatte. Er hätte zuerst Maximilian überwinden müssen, um danach Tobi zu töten.
Der Mann musste komplett durchgedreht sein. Er konnte doch nicht annehmen, dass
er damit durchkam.
Die Beamten aus Rosenheim hatten Benedikt Lanz abgeholt, nachdem
Althea seinen Arm verarztet hatte.
»Ist wenigstens sie hinüber? Die Schnüfflerin? Die mochtest du doch
auch nicht, Schwester, wenn ich mich nicht irre.«
Er irrte sich nicht, was schlimm genug war.
»Schlechte Arbeit, Bene«, warf ihm Althea abschätzig hin.
»Friederike Villbrock lebt.« Jedenfalls hoffte Althea, dass das stimmte. Gifte
waren tückisch.
Beeilt hatte sie sich mit Benes Verarztung nicht gerade und der
hatte ihr mit undurchdringlichem Gesicht zugesehen. Liebe deinen Nächsten, hieß
es, doch Althea fand, dass in diesem Fall eine abgespeckte Version genau
richtig war.
Außerdem hatte Tobis Halswunde Vorrang. Höchstwahrscheinlich dank
Maximilians schnellem, unerschrockenem Einsatz hatte Tobias Tümmler überlebt.
Als sämtliche Beteiligten versorgt und verpflegt waren, ging Althea
hinüber zum Gästehaus. Sie wusste nicht, ob sie Leben oder Tod erwartete, doch
was sie dort sah, brachte sie dann doch zum Lachen.
Kath war in dem Sessel eingeschlafen, und die ehemalige Richterin
saß aufrecht im Bett, die Decke über ihren üppigen Busen gezogen, und
lamentierte lautstark, jemand habe ihr die Kleidung weggenommen und man müsse
auf der Stelle Benedikt Lanz festsetzen, den Mörder vom Chiemsee.
»Dir auch einen herrlichen guten Morgen«, sagte Althea.
Erleichterung durchflutete sie. Stirb einfach an einem anderen Tag, dachte sie
böse, aber dann schwächte sie den Wunsch ab, weil er ihr doch ein wenig
drastisch vorkam: so in fünfzig Jahren.
»Marian?«, fragte Friederike ungläubig. »Mir ist da zwar ein
wesentlicher Teil entgangen, aber er hat mich vergiftet. Mit deiner grausigen
Bowle.« Sie lachte. »Ist ja eigentlich dein Fachgebiet … sozusagen. Nicht die
Bowle.« Wieder ein schepperndes Lachen.
Du gestopfter Kotzbrocken. Althea konnte sich gerade noch
zurückhalten, das laut auszusprechen.
Und wo war Schwester Jadwiga? Vermutlich hatte sie die schon
vergrault. Kath hingegen imponierte das Gezänk überhaupt nicht, sie richtete
sich auf, setzte ihre Füße in einer geschmeidigen Bewegung auf den Boden und
erhob sich aus dem Sessel. »Da gibt es alte Weiber, die kennen sich mit Flüchen
aus. Du solltest lieber vorsichtig sein.«
Die Miene der ehemaligen Richterin glich jetzt der von Benedikt Lanz
vorhin. Vielleicht war Wahnsinn ja ansteckend?
Ein »Du bist undankbar« konnte Althea sich nicht verkneifen.
»Und wem sollte ich danken? Und wofür?«
»Bis ich dir das erklärt habe, ist der Tag vorbei. Deine Kleidung
ist eingetütet, du kennst das ja – Beweismaterial. Wenn du mich schön bittest,
würde ich mich zu deinem Heim aufmachen und in deine Schränke schauen, was sich
findet. Oder ich biete dir für den kurzen Weg meine Nonnentracht an.« Ein
Schmunzeln.
»Lieber gehe ich nackt«, schoss Friederike zurück.
Sie würde nirgendwohin gehen, sondern die nächsten Tage in der
Klinik verbringen; eine Vergiftung wie diese konnte Organschädigungen und weiß
der Geier, was sonst noch, zur Folge haben. Althea hatte bereits alles
veranlasst, aber das würde die Dame noch früh genug merken.
»So wird es letztlich ausgehen«, stimmte ihr Althea zu, dann wurde
geklopft, und die Tür ging leise auf.
Maximilian streckte den Kopf herein. »Oma Friederike? Hey, du siehst
gut aus. Na ja,
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