Tod am Kanal
ins Gesicht. Dabei stieß sie weiterhin ihren fremdartigen Singsang aus.
»Niemand wird uns
daran hindern, Fouads Blut zu rächen. Das sind wir seiner Mutter schuldig.«
»Und Allah?«, fragte
Große Jäger dazwischen, erntete aber nur einen bösen Blick des Mannes.
»Ich rate Ihnen
davon ab. Bei uns liegen Recht und Gesetz nur in den Händen des Staates.«
Statt einer Antwort
traf Christoph ein langer Blick des Mannes, der nichts Gutes verhieß.
»Wir werden sicher
Weiteres von Ihnen hören«, sagte er nach einer Weile. »Wo ist Fouad jetzt,
damit wir ihn morgen beerdigen können?«
»Er befindet sich
noch in der Rechtsmedizin in Kiel. Es sei Ihnen versichert, dass die Behörden
alles unternehmen werden, um die Würde des Jungen zu wahren.«
»Sie haben keine
Vorstellungen davon, was Würde ist«, zischte der Mann. »Und nun gehen Sie.«
Schweigend verließen
die beiden Beamten das Haus.
»Hätten wir nicht
fragen sollen, ob die Mutter einen Arzt benötigt?«, fragte Große Jäger auf dem
Weg zum Auto.
»Der hätte genauso
wenig Zugang zu der Frau gefunden wie wir.«
Große Jäger kratzte
sich nachdenklich den Stoppelbart am Kinn. »Die Orientalen wollen sich einfach
nicht unserer Kultur öffnen.«
»Das ist eine
einseitige Betrachtung. Hast du jemals versucht, dich in die Gedankenwelt
dieser Menschen zu versetzen?«, fragte Christoph.
»Da gibt es
Unterschiede«, brummte Große Jäger. »Ich würde dem Nachbarn, der sich
beharrlich weigerte, seinen Namen zu nennen, gern einmal etwas von dem Land
erzählen, dessen Schutz er gesucht hat.«
»Und dessen Schutz
bei Fouad al-Shara versagt hat«, erwiderte Christoph.
Sie hatten das Auto
erreicht und stiegen ein.
»Schön, dann fahren
wir jetzt zu van Oy und schließen diesen Fall ab«, sagte der Oberkommissar.
Christoph sah, dass die Begegnung mit der Mutter des Opfers nicht spurlos am
Oberkommissar vorübergegangen war.
Christoph ließ den
Dienstkombi vorsichtig durch die engen Straßen rollen. Große Jäger regte sich
hier über die Fußgänger, die gemächlich durch die Stadt schlenderten, ebenso
auf wie über die Autofahrer, die ihnen auf den wenigen Metern von der
Asylbewerberunterkunft bis ins Zentrum begegnet waren.
»Nun musst du langsam Einhalt gebieten«, sagte Christoph. »Wir sind so vielen
Schwerverbrechern am Steuer begegnet, die du verhaften wolltest, dass kein
Platz mehr für unseren Täter bleibt.«
»Da mache ich mir
keine Sorge. Den falte ich so, dass der in meiner Schublade übernachten kann.«
»Das ist auch nicht
möglich«, entgegnete Christoph lachend. »Da parken schon deine Füße.«
»Mich packt der
heilige Zorn. Was sind wir in diesem Fall wieder für Leuten begegnet? Allein
die von der Hardt. Die ist so berechnend, dass sie diesen lustwandelnden
Hormonklumpen kalt lächelnd mit einem Fingerschnippen wieder in die Gosse
zurückschickt. Ich kann mir gut vorstellen, dass Nico seiner liebreizenden
Mutter als Erstes gesteckt hat, dass ihr Lover fremdgegangen ist. Nachdem die
fürsorgliche und immer treue Mutter und Geliebte das erfahren hat, ist sie
sauer geworden und hat Feichtshofer hinausgeworfen. Der hat sich bedankt, indem
er die Petze Nico verprügelt hat. Wenn er sich dabei das Handgelenk gebrochen und
die schöne Isabelle am Auge gestreift hätte, wäre ich der Überzeugung gewesen,
dass der liebe Gott doch noch Gerechtigkeit walten lässt. Nun denn – wir haben
noch ein Stück Arbeit vor uns. Irgendwie müssen wir aus van Oy, diesem
notorischen Lügenbold, die Wahrheit herauskitzeln.« Große Jäger stutzte. »Nanu?
Was willst du hier?«
Christoph hielt vor
Hauffes Haus am Mittelburgwall. »Ich möchte noch ein paar Fragen loswerden.«
»Von mir aus«,
brummte der Oberkommissar und hielt Christoph am Ärmel fest. »Mir fällt gerade
ein, dass in jedem guten Krimi ein Polizeibeamter in den Verdacht gerät, der
Täter zu sein, und deshalb suspendiert wird. Wieso hast du das eigentlich nicht
mit mir gemacht?«
»Fantasiebeutel«,
schmunzelte Christoph und stieg aus.
Nach mehrmaligem
Klingeln öffnete ihnen Wulf Hauffe. Der Zustand des Lehrers hatte sich
gegenüber ihrem letzten Besuch nicht gebessert. Hauffe sah übernächtigt aus.
Die Augen lagen tief in den Höhlen, und die sonst kräftige Hautfarbe war einem
bleichen Schimmer gewichen.
»Wir haben noch ein
paar Fragen«, sagte Christoph.
»Das geht jetzt
nicht. Meiner Frau und meiner Tochter geht es nicht gut. Und auch ich bin am
Ende. Wir brauchen Zeit, uns
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