Tod am Kanal
von den Schrecken der letzten Tage zu erholen.
Kommen Sie nächste Woche wieder.«
»Bei Ermittlungen in
einem Mordfall können wir keine Wunschtermine vergeben. Auch für Zeugen nicht«,
erklärte Große Jäger.
Widerwillig ließ
Hauffe die beiden Beamten ins Haus und ging voraus in die erste Etage. In der
Wohnung roch es abgestanden. Schaler Rauch und Alkoholdunst lagen in der Luft.
Der Lehrer führte
sie ins Wohnzimmer. Auf dem Tisch standen eine angebrochene Grappaflasche und
ein benutztes Glas. Kurz darauf erschien Renate Hauffe. Die ungekämmten Haare
standen ihr zu Berge, das befleckte T-Shirt hing halb aus den Leggings heraus,
die ein mehr als unvorteilhaftes Kleidungsstück für die Frau waren.
»Hallo«, sagte sie
mit belegter Stimme. Die Unsicherheit ihres Gangs und die Alkoholfahne
verrieten ihren Zustand. Sie setzte sich unaufgefordert zu den drei Männern an
den Esstisch.
Hauffe wollte gegen
die Anwesenheit seiner Frau aufbegehren, als aber auch noch Maike erschien und
von ihrer Mutter mit »Komm her, meine Kleine« zur Teilnahme an der Runde
aufgefordert wurde, unterdrückte Hauffe seinen Protest.
»Wir wissen jetzt,
wer der Tote von der Eisenbahnbrücke ist.«
Der Lehrer stierte
teilnahmslos in Richtung Fenster, während es den Anschein hatte, als hätte
Renate Hauffe die Worte gar nicht wahrgenommen. Maike schaute die beiden
Beamten an, traute sich aber nicht, nachzufragen.
»Unsere Ermittlungen
stehen kurz vor dem Abschluss«, erklärte Christoph. »Uns fehlen nur noch die
letzten kleinen Teile des Puzzles.«
»Da kann ich Ihnen
nicht weiterhelfen«, gab Hauffe zurück. »Sie sehen ja, dass wir in dieser
Familie genug Probleme haben.« Er zeigte auf seine Tochter. »Da lässt sich das
Mädchen ein Kind andrehen.«
»Nun mäßige dich«,
fuhr seine Frau dazwischen, aber Hauffe unterbrach sie. »Sei du leise. Du
kommst doch aus dem Delirium nicht mehr heraus.«
»Anders kann man das
Leben mit dir nicht ertragen«, antwortete Renate Hauffe mit schwerer Zunge und
wollte erneut zur Flasche greifen, doch ihr Mann kam ihr zuvor.
»Hör endlich auf,
dich um den letzten Funken Verstand zu trinken.« Er schrie seine Frau förmlich
an.
»Nun hört endlich
auf, euch ewig zu streiten«, rief Maike dazwischen und funkelte ihren Vater an.
»Du bist immer der Superschlaue. Alles weißt du besser. Keiner kann dir etwas
recht machen. Du mit deinem Intelligenzquotienten …«
»Das interessiert
mich jetzt – einfach außerhalb der Reihe«, sagte Große Jäger. »Sind Sie
hochbegabt?«
Hauffe winkte müde
ab, aber seine Frau lallte dazwischen: »Sie müssen einmal mit meinem Mann
Schach spielen. Der schlägt alle, weil er seinen Gegnern immer ein paar Züge
voraus ist. Ja – ich habe wirklich einen klugen Kopf als Ehemann.« Sie gluckste
vergnügt vor sich hin. »Leider ist das aber auch alles.«
»Mama hat recht«,
mischte sich Maike ein. »Du hättest mit deiner Klugheit mehr aus dir machen
können.«
»Haltet den Mund«,
schrie Hauffe aufgebracht.
»Warum, mein Süßer?«
Seine Frau griff erneut zur Schnapsflasche. Diesmal hielt sie niemand davon ab,
das Glas zu füllen. Sie trank es in einem Zug aus. »Deine Tochter sagt doch die
Wahrheit. Was hätte aus dir alles werden können. Und? Stattdessen versteckst du
dich hier in dieser Kleinstadt. Du schämst dich vor dich – oder heißt das
›dir‹? Ist ja egal. Du schämst dich selbst, nur weil dein Vater eine dunkle
Hautfarbe hat.« Sie wedelte mit dem leeren Glas in Christophs Richtung. »Haben
Sie eine Ahnung, wann wir das letzte Mal in Husum waren?« Nach einer Kunstpause
fuhr sie fort: »Ich auch nicht.« Sie setzte das leere Glas an die Lippen und
ließ die letzten Tropfen in den Rachen laufen. »Prost.«
»Frau Hauffe. Sie
haben am Dienstagmorgen die Tote im Kanu entdeckt und zunächst geglaubt, da
würde jemand schlafen. Erst nach über einer Stunde riefen Sie dann die
Polizei.«
»Hab ich das?«,
fragte die Frau. Dann schüttelte sie ihren Kopf und wies mit dem Grappaglas in
Richtung ihres Mannes. »Stimmt nicht. Er hat die Frau zuerst gesehen.«
»Bei unserer ersten
Vernehmung haben aber Sie und Ihr Mann übereinstimmend ausgesagt, dass Sie das
Boot zuerst entdeckt hatten.«
»Kann nicht sein.
Haben Sie eine Ahnung, was ich morgens zu tun habe, damit die beiden
rechtzeitig loskommen?«
»Das ist doch nicht
wahr«, rief Hauffe dazwischen. »Du hast zu mir gesagt: Sieh mal da. Da schläft
jemand. Die ganze Zeit über.«
»Nee –
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