Tod am Kanal
Klasse hat das
gemacht.« Die großen braunen Augen sahen Christoph ängstlich an.
»Komme ich jetzt vor Gericht?«
»Nein. Das nicht. Wir werden jetzt deine Eltern
benachrichtigen, damit sie dich abholen. Aber Strafe muss sein. Schließlich
hast du unerlaubt Geld entwendet. Habt ihr einen Garten?«
Der Junge nickte.
»Gut. Dann wird der Kollege«, er zeigte auf den
uniformierten Beamten, »jetzt ein Protokoll ausfüllen. Handschriftlich. Darin
wird stehen, dass du zwanzig Mal bei euch zu Hause den Rasen mähen wirst, als
Strafe dafür, dass du deiner Mutter Geld gestohlen hast. Bist du damit
einverstanden?«
Hastig nickte Alexander. »Klaro«, kam es erleichtert
über seine Lippen.
Christoph griff zum Handy, das auf dem Tisch lag.
»Krieg ich das wieder?«, fragte der Junge.
Christoph klärte den Schüler auf, dass dies nicht der
Fall sei. Er musste ihn auch enttäuschen, als Alexander stattdessen die
einhundert Euro zurückhaben wollte. Offenkundig hatte der Junge Zweifel an der
Gerechtigkeit, als sie ihn in der Obhut des Heider Polizisten zurückließen.
»Für so dumm hätte ich Nicolaus von der Hardt nicht
gehalten«, sagte Christoph, als sie wieder im Auto saßen und zurückfuhren. »Für
lumpige einhundert Euro verkauft er das Handy der Toten in Heide. Hält der uns
für so naiv?«
»Man fragt sich, was in den Köpfen solcher Leute vor
sich geht«, antwortete Mommsen. »Das macht ihn natürlich verdächtig. Er muss
sich eine gute Erklärung dafür einfallen lassen, wie er an das Mobiltelefon des
Mordopfers kommt.«
»Da fahren wir doch gleich nach St. Peter-Ording und
befragen ihn.«
Christoph wählte die Bundesstraße Richtung Büsum, bog
auf der Höhe von Wöhrden ab und passierte die urgemütliche Hebbelstadt
Wesselburen. Über den kilometerlangen Eiderdamm, der durch das Sperrwerk
Schleswig-Holsteins größten Fluss vor Sturmfluten schützt, aber die normale
Flut durchlässt, erreichten sie Eiderstedt. Von hier waren es nur noch wenige
Fahrminuten bis St. Peter.
Das Haus der von der Hardts lag ruhig und verlassen
da. Niemand öffnete auf ihr Klingeln. Es stand kein Auto vor der Tür. Christoph
umrundete das Gebäude. Aber auch der Garten war verwaist.
Sie waren gerade wieder in ihren Dienstkombi
eingestiegen, als sich die Leitstelle der Polizeidirektion meldete und nach
ihrem Standort fragte.
»Es gibt ein Problem in Friedrichstadt«, erklärte der
Beamte. »Dort hat es eine schwere Körperverletzung am Eidergymnasium gegeben.
Die Adresse ist …«
»Danke, die kennen wir«, unterbrach ihn Christoph. »Liegen
weitere Informationen vor?«
»Leider nicht. Die Kollegen aus Friedrichstadt sind
vor Ort. Der Notarzt ist schon unterwegs.«
»Wir übernehmen«, sagte Christoph, während Mommsen das
mobile Blaulicht auf dem Wagendach platzierte.
Für die vierzig Kilometer benötigten sie fast zwanzig
Minuten, da auf der engen und gewundenen Grünen Küstenstraße trotz Blaulicht
und Martinshorn nur ein schweres Vorankommen war.
Als sie das Schulgebäude erreichten, standen neben dem
Rettungswagen und dem Notarztwagen auch zwei Streifenwagen. Ein Beamter der
Zentralstation erklärte ihnen: »Wir sind vom Hausmeister alarmiert worden. Der
hat ein schwer verletztes Mädchen gefunden. Er sagt, ihr Name sei Rebecca zu
Rantzau. Sie ist Schülerin am Eidergymnasium. Im Augenblick wird sie durch den
Notarzt versorgt. Mehr wissen wir noch nicht.« Er wies ihnen den Weg zum
Musikraum der Schule.
Dort waren der Notarzt und zwei Rettungsassistenten
damit beschäftigt, Rebecca zu versorgen.
Einer der Männer in den orangefarbenen Westen erklärte
Christoph, dass der Arzt dem Mädchen ein starkes Beruhigungsmittel verabreicht
habe.
»Jetzt warten wir auf die Schraube.«
»Was hat Rebecca? Warum wurde der Rettungshubschrauber
angefordert?«
»Jemand hat ihr die rechte Hand zertrümmert. Das sind
vermutlich multiple Frakturen. Ob noch andere Verletzungen vorliegen, ist nicht
erkennbar. Äußerlich zumindest nicht. Die Patientin hat einen schweren Schock
erlitten.«
»Warum warten wir auf den Hubschrauber?«
Der Rettungsassistent sah Christoph an, als würde der
nach dem kleinen Einmaleins fragen. »Die Schraube muss die Patientin in die
Kieler Uni fliegen. Dort gibt es eine spezielle Handchirurgie. Es gibt wenig
Gegenden im menschlichen Körper, wo der Knochenbau so komplex ist wie in der
Hand«, erklärte der Mann und wurde dann wieder vom Arzt abgerufen.
Christoph sah auf das Mädchen hinab, das
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