Tod am Kanal
am
Telefon eine straffe Haltung annahm. Dann hörte er Papier rascheln. Das hingemurmelte
»Wo hab ich bloß meine Brille?« war nicht für ihn bestimmt. »Ach. Hier. Fangen
wir mit dem Besenstiel an. Es sah aus, als hätte ihn jemand übers Knie
abgebrochen. Zumindest war der Stiel zersplittert. Es gab eine Reihe von
Fingerabdrücken. Bisher haben wir allerdings nur die des Hausmeisters zuordnen
können, die uns zu Vergleichszwecken zugestellt wurden. Wie heißt der Mann noch
gleich?«
»Harry Trochowitz«, sagte Christoph.
»Richtig. Die anderen Spuren haben wir nicht in der
Datei gefunden. Dafür gab es aber kurz unterhalb der Bruchstelle Mikrofasern.
Wir vermuten – nein –, sind uns fast sicher, dass sie von einer Jeans stammen.«
»Können Sie dazu weitere Details aufzeigen?«,
unterbrach Christoph.
»Aber Herr Johannes. Den Zauberlehrling hat Goethe leider
nicht in Kiel auftreten lassen. Dann war da noch der Draht, der für das
Mordwerkzeug, den Drosselknebel, verwendet wurde. Wir konnten anhand der
Schnittfläche unter dem Mikroskop eindeutig feststellen, dass er von dem
Begrenzungszaun an der Schule stammt.«
»Dann hat der Täter sich den Knebel, mit dem Ina
Wiechers ermordet wurde, aus Teilen des Besenstiels und aus dem Draht in der
Nähe des Kanuanlegers gebastelt«, sagte Christoph mehr zu sich selbst.
»Bitte? Das habe ich jetzt nicht verstanden. Aber es gibt
noch einen zweiten Draht. Der kommt aus St. Peter-Ording. Der ist von …«
»Den haben wir am Hause der Familie von der Hardt
gefunden«, half Christoph.
»Mag sein. Also … Auch da gibt es eine Schnittkante.
Die passt zur linken Hand, mit der das Mordopfer auf der Eisenbrücke an das
Gleis gefesselt war. Die linke Hand war, betrachtet aus der Fahrtrichtung des
Zuges, an die rechte Schiene gefesselt. Das andere Drahtende passt wiederum zur
Fessel der anderen Hand.«
Christoph stellte sich die örtlichen Gegebenheiten
vor. »Das bedeutet, das Opfer hat Richtung Husum geguckt, also dem Zug
entgegengesehen.«
»Ich war nicht vor Ort.« Dr. Braun schaffte es immer
wieder, in ihre Stimme einen Hauch Pikiertheit zu tragen, so als wäre sie
ständig beleidigt darüber, dass man sie nur im Labor arbeiten ließ.
»War das Opfer bei Bewusstsein, als es vom Zug erfasst
wurde?«
»Das kann ich nur raten. Ich glaube nicht, dass der
Mann sich ruhig seiner Nachtruhe hingegeben hat.«
»Ich meinte konkret, ob der Tote alkoholisiert war?«
»Genaue Laborergebnisse können Sie noch nicht
erwarten. Der Schnelltest ergab aber, dass der Mann nüchtern war. Auch von
Drogen oder anderen Betäubungsmitteln haben wir bis jetzt nichts feststellen
können.«
Christoph atmete tief aus.
»Was ist mit Ihnen?« Dr. Braun klang tatsächlich eine
Spur besorgt.
»Mir fiel gerade ein kleiner Stein vom Herzen. Wir
hatten Befürchtungen, den Toten zu kennen. Es hätte ein Siebzehnjähriger aus
St. Peter sein können.« Damit waren zunächst auch Nico von der Hardt und Simon
Feichtshofer entlastet, überlegte er für sich.
»Zur Identität des Toten konnte die Rechtsmedizin
bisher nur feststellen, dass es sich um ein männliches Wesen handelt. Relativ
jung. Schätzungsweise um die zwanzig. Er …« Sie unterbrach ihre Ausführungen.
»Wieso erzähle ich Ihnen das alles? Ich denke, für die Ermittlungen ist das K1
aus Itzehoe zuständig. Sie sind doch als Kripostelle gar nicht mit dem Mordfall
betraut.« Erneut hörte Christoph ein Rascheln. »Wir haben den Bericht nach
Itzehoe geschickt. Kein Wunder, dass wir überlastet sind, wenn wir jeden Fall
mehrfach irgendwem erläutern müssen.«
»Wir sind doch nicht irgendjemand. Außerdem haben Sie
uns damit sehr geholfen. Sie wollten aber noch etwas zum Toten ausführen.«
»Das weiß Itzehoe.« Es schien, als wäre Dr. Braun fast
ein wenig bockig.
Christoph säuselte fast in den Hörer, was auf Große
Jägers Gesicht ein breites Grinsen hervorrief. »Liebe Frau Dr. Braun. Nun haben
Sie ein so überzeugendes Beispiel Ihrer fantastischen Arbeit geliefert, dass
mich aus purer Neugierde auch der Rest interessiert.«
»Nun – Dr. Diether von der Rechtsmedizin meint, dass
das Opfer ethnisch kein Mitteleuropäer ist.«
»Was denn?«
»Darüber schweigt er sich aus.«
»Könnte es ein Orientale gewesen sein?«
Dr. Braun schwieg einen Moment. Dann hörte er ein
leichtes Kichern und war überrascht, dass die Wissenschaftlerin zu solchen
Gefühlsäußerungen fähig war. »Also. Da ist etwas vom männlichen
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