Tod am Kanal
Schweigen.«
Christoph hörte ein Stöhnen in der Leitung.
»Personalentscheidungen werden nicht mit uns vom Fußvolk abgestimmt. In der
Latrine wird ein gewisser Doktor aus Flensburg stark gehandelt.«
»Diese Befürchtungen sind auch bis zu uns
durchgedrungen.«
»Wann kommst du wieder nach Kiel zurück? Deine Mission
sollte nur vorübergehend sein.«
»Ich habe meinen Koffer schon gepackt«, spottete
Christoph. »Ab Montag sollst du die Husumer Kripo übernehmen. Dann kehre ich
zum LKA zurück.«
Christoph vernahm einen gespielten Aufschrei des
Kieler Kollegen. »Gott bewahre. Das wäre ja wie bei Pater Braun. Der wurde auch
immer strafversetzt.«
Wie gut, dass keiner von euch weiß, wie schön es hier
ist, dachte Christoph. Sonst würdet ihr mir den Posten in Husum noch streitig
machen. Er wünschte Vollmers alles Gute und dankte ihm für die Unterstützung.
Als Christoph aufgelegt hatte, drehte sich Große Jäger
zu ihm um, grinste ihn übers ganze Gesicht an und hielt den Zeigefinger mit dem
Trauerrand unter dem Fingernagel in die Höhe. Unverkennbar war die
Erleichterung im Gesicht des Oberkommissars zu lesen. Natürlich hatte er das
über ihn ausgeschüttete Lob mitbekommen. Ihm war deutlich anzumerken, dass ihn
die Auseinandersetzung mit Christoph zuvor doch zu schaffen gemacht hatte.
»Wir sind unterbrochen worden, als wir die Möglichkeit
erörterten, dass Fouad al-Shara das Mordopfer von der Eisenbahnbrücke sein
kann«, sagte Große Jäger.
»Manches deutet darauf hin. Wir sollten bei der Mutter
in Friedrichstadt etwas besorgen, aus dem das LKA einen DNA -Abgleich durchführen
kann. Dann hätten wir Gewissheit. Eine Identifizierung kann man beim Zustand
des Opfers wohl niemandem zumuten. Wir sollten auch versuchen, vielleicht mit
Unterstützung von Nachbarn, herauszufinden, wie der junge Libanese zuletzt
gekleidet war. Und ob es andere signifikante Anhaltspunkte gibt. Uhr. Schmuck.
Körpermerkmale.«
Mommsen stand auf. »Ich kümmere mich darum. Soll ich
die Sachen direkt nach Kiel bringen?«
Christoph überlegte einen Moment. »Das wäre vielleicht
das Beste.« Dann hob er entschuldigend die Schultern. »Das ist jetzt ein
unglücklicher Moment, wenn du bei der Verabschiedung vom Chef nicht dabei
bist.«
»Ist schon gut«, sagte Mommsen und verließ den Raum.
Christoph musste ihm nicht erklären, wie die Prioritäten gelagert waren, auch
wenn Mommsen sich gern selbst von Polizeidirektor Grothe verabschiedet hätte.
Danach rief Christoph im Eidergymnasium an. Missmutig
erklärte der Schulleiter, dass weder Nico von der Hardt noch Jan Harms heute
zum Unterricht gekommen waren. Auch Vater und Tochter Hauffe waren der Schule
ferngeblieben.
»Wenn wir uns ziemlich sicher sind, dass Jan Harms
nicht das Mordopfer von der Eisenbahnbrücke ist, sollten wir uns noch einmal in
St. Peter umhören, ob der Junge inzwischen wieder aufgetaucht ist«, sagte
Christoph. Große Jäger folgte ihm wortlos.
Der Oberkommissar schwieg auch während der Fahrt an
die Spitze Eiderstedts. Entgegen seiner sonstigen Gewohnheit kritisierte er
weder Christophs Fahrstil, nachdem er ihm widerstandslos das Lenkrad überlassen
hatte, noch gab er Kommentare zum Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer ab.
Im Zentrum des Kurortes herrschte reges Treiben.
Urlauber schlenderten mit aller Gelassenheit dieser Welt durch St. Peter, als
hätten sie die Beschaulichkeit selbst erfunden. Es wirkte, als würden Stress
und Belastungen des Alltags der Feriengäste am Ortseingangsschild
zurückbleiben. Wem es sonst in der Schlange im Supermarkt nicht schnell genug
gehen konnte, der stand mit seinen Kindern an der Hand geduldig vor dem Eisstand
an. Ein bedächtig auf der engen Fahrbahn rangierender Rentner löste kein
wütendes Hupen der hinter seinem Fahrzeug wartenden Autos aus, und selbst die
zweite Suchrunde über den engen Parkplatz brachte niemanden aus der Ruhe.
»Merkwürdig, welche Verwandlung mit den Menschen
vorgeht, wenn sie ihr Urlaubsdomizil an unserer Küste erreicht haben«, sagte
Christoph, als sie nur wenig schneller als im Schritttempo durch die hübsche
Straße von St. Peter-Bad nach St. Peter-Dorf rollten.
»Das scheint sich aber irgendwann zu geben«, brummte
Große Jäger. »Jedenfalls ist die Bedachtsamkeit bei dem überdrehten Nico und
dem Anabolikapaket abhandengekommen.«
Wenig später hielten sie vor der Villa von Wilken F.
Harms. Der Mann öffnete ihnen persönlich die Tür.
»Moin«, sagte er freundlich und
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