Tod am Laacher See
Vorfreude auf den kleinen Ausflug
zu Sandras Wohnung wuchs immer mehr. Dass ihn eine Frau nach Hause mitnehmen
und ihn in einem Ferienzimmer einquartieren würde, war an sich ja keine große
Sache. Dennoch empfand Wärmland eine innere Aufregung. Er hatte sie während des
Essens aufmerksam beobachtet. Ihre unbeschwerte heitere Art hatte ihn sehr
beeindruckt. Sie war anscheinend ein durch und durch positiver Mensch, der
allem etwas Gutes abgewinnen konnte. Wärmland beneidete solche Menschen, die
nicht ganz plötzlich in ein Stimmungstief fielen, sondern die immer oben auf
den Wellen schwammen. Hier zu übernachten wäre wie ein kleines Abenteuer.
Koblenz und Mayen schienen auf einmal weit weg zu sein. Zu weit weg, um an
diesem Abend noch eine Bedeutung zu haben. Wärmland war an der Ostsee. So weit
entfernt von zu Hause wie Köln von New York.
Er erfreute sich an Sandras Humor und ihrem Lachen. Und sie verstand
es, ihn immer wieder zum Lachen zu bringen. Ein paarmal war sogar er es, der
sie zum Lachen brachte. Er fühlte sich unbeschwert wie lange nicht mehr. Die
Eicksens dieser Welt hatten plötzlich ihre Bedeutung verloren. Es gab keine
Morde mehr. Nur noch Heiterkeit und ein warmes Gefühl der Zuneigung.
Schließlich verabschiedeten sie sich von Wesendonk, und Wärmland
folgte Sandra durch die Straßen bis zu ihrer Wohnung mit Gästezimmer, das
tatsächlich sehr geschmackvoll eingerichtet war. Mit hübschen blauen Farbtönen
in den Gardinen und in der Bettwäsche. Eine frische Brise zog durch den Raum.
Und doch war es nicht zu kühl. Wärmland mochte es, und sie sagte ihm rasch Gute
Nacht. Mit einem Kuss auf seine linke Wange. Ihm stieg eine Hitze in den Kopf,
und er fühlte sich elektrisiert und benommen zugleich. Dann war sie fort. Er
duschte im kleinen Bad, das zu dem Ferienzimmer gehörte. Weniger weil er sich
so schmutzig fühlte, sondern um dieses Gefühl der Benommenheit wegzuschwemmen,
das ihm etwas unheimlich war. Nach dem Zähneputzen legte er sich ins Bett und
spürte seinen schnellen Puls. Er bezweifelte, bald einschlafen zu können. Die
Bilder des Abends purzelten durch sein Gedächtnis. Und dann dieser scheinbar
flüchtige Kuss ganz zum Schluss. Er war ganz hin und weg.
Nachdem er ein paar Minuten still gelegen und nachgedacht hatte,
hörte er, wie die Tür leise geöffnet wurde. Dann stand sie neben seinem Bett.
Sie kniete sich neben ihn und flüsterte: »Ich glaube zu spüren, dass du ein
sehr, sehr lieber Mann bist, Jan Wärmland. Von so einem Mann möchte ich gerne
ein wenig gedrückt und gehalten werden. Einfach nur so. Um deine Wärme zu
spüren und auch um meine kalten Füße anzuwärmen. Ich kann heute nicht mit dir
schlafen. Aber wenn du magst, dann kann ich mich an dich schmiegen, und wir
kuscheln. Könntest du das aushalten?«
Er spürte, dass es ihm wohl nicht ganz leichtfallen würde, nur zu
kuscheln. Aber es war dennoch eine wunderbare Idee. Er würde sie nicht mehr
gehen lassen wollen.
»Das ist in Ordnung«, sagte er leise, und sie schlüpfte unter seine
Decke, schmiegte sich dicht an seinen Körper und spürte seine Erregung. Aber
weder Wärmland noch sie unternahmen etwas, was das Kuscheln beendet hätte. Sie
lagen ruhig beieinander, sie in seinen Armen. Zunächst einander ein wenig
zugewandt, dann in der Löffelchenposition. Sie sprachen beide nicht mehr. Und
waren schließlich eingeschlafen.
Als Wärmland aufwachte, war es schon kurz nach halb neun. Sie war
fort. Er sprang aus dem Bett und verließ das Zimmer in der Hoffnung, dass sie
draußen war und in der Küche vielleicht das Frühstück richtete. Aber sie war
nicht da. Wahrscheinlich holte sie ihren Sohn von der Großmutter ab. Kaffee,
Brötchen und Marmelade standen auf dem Küchentisch. Und auf dem Teller lag
unter einem Messer ein Zettel. »Danke für deine Nähe«, stand darauf. Wieder
durchlief ein Schauer Wärmlands Körper. Er empfand Freude und Trauer zugleich.
Denn er war sich nicht sicher, was diese kurze Botschaft zu bedeuten hatte. Es
ging nicht daraus hervor, ob sie diese Nähe wieder haben wollte. Oder ob es nur
eine einmalige Angelegenheit gewesen war für sie. Diese Ungewissheit quälte
Wärmland schon im nächsten Augenblick. Und er wurde sich bewusst, dass er sich
ein wenig verliebt hatte. Seine Krankenschwester kam ihm in den Sinn, und er
fragte sich, ob es überhaupt sein konnte, dass man sich so schnell
hintereinander verliebte, oder ob bei ihm eine Störung vorlag, die Grund zur
Sorge gab. Er hatte
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