Tod am Laacher See
gefunden. Ich kenne ihn«, war seine
Antwort. Er musterte Wärmland einen Augenblick. Der bemerkte, dass Wesendonk
eine sehr schiefe und wohl einmal gebrochene Nase hatte, was seinem Gesicht
zusammen mit den sehr buschigen Augenbrauen und den tief in den Höhlen
liegenden Augen etwas Maskenhaftes gab. Wesendonk schien Wärmlands Gedanken zu
erahnen und sagte: »Schlägerei in Marseille mit einem von der Fremdenlegion.
Der hat nur noch ein halbes Ohr.« Er lächelte dabei verschmitzt.
Wärmland dagegen verspürte Erleichterung. Endlich war er vielleicht
doch noch einen Schritt weitergekommen. Jetzt konnte sich das Blatt wenden, und
er würde vielleicht doch endlich Details aus Eicksens Privatleben erfahren.
»Haben Sie Zeit für ein Gespräch?«, fragte Wärmland.
»Eigentlich nicht. Ich bin bei einer Modelagentur für hübsche
Frühpensionäre ständig ausgebucht.«
Ein ziemlicher Zyniker, dachte Wärmland. Nicht verwunderlich
angesichts dieser Gesichtszüge, die alles andere als hübsch waren.
»Kommen Sie erst mal rein. Soll schließlich niemand sagen, wir wären
hier oben nicht gastfreundlich.«
Wärmland folgte Wesendonk in den zweiten Stock. Dort betrat er eine
kleine Zweizimmerwohnung, die wie bei Eicksen ein Ableger eines Marinemuseums
hätte sein können. Vom Buddelschiff mit der Gorch Fock in Miniaturausgabe über
diverse kleine Leuchttürme bis hin zu zahlreichen Fotografien und
Wettkampfurkunden: Die Wände waren voller Regale mit Versatzstücken oder
Bildern seiner Marinevergangenheit. Auf den zweiten Blick bemerkte Wärmland,
dass sich die Wohnung in einem tadellosen Zustand befand, was Sauberkeit und
Ordnung anging. Das hatte er in diesem Umfang bei einem allein lebenden älteren
Seemann nicht unbedingt erwartet, aber es war eine angenehme Überraschung.
Wesendonk hieß Wärmland auf der Couch im Wohnzimmer Platz nehmen und
fragte ihn, ob er einen Tee wolle. Wärmland bejahte, obwohl er grundsätzlich
lieber Kaffee trank, und Wesendonk verschwand im Nebenraum. Wenig später kam er
mit zwei Bechern Tee zurück.
»Haben Sie vielleicht schon von dem Fall mit den vier Leichen im
Laacher See bei uns im Süden gehört?«, fragte Wärmland und dachte: Herrje,
jetzt fange ich auch schon an mit dem Süden.
Wesendonk nickte. »Vier Männer ermordet und versenkt. In der Nähe von
Koblenz war das doch, oder?«
»Stimmt.«
»Und außerdem noch zwei Verbrannte im Wohnwagen. Das haben wir hier
oben alles mitgekriegt. Denn die stammten ja schließlich aus der Gegend. Fünf
ermordete Männer aus Schleswig-Holstein, das war natürlich eine Meldung wert.
Und ja wohl auch ’ne ziemlich große Sache bei Ihnen da unten.«
»Ja, so was haben wir tatsächlich nicht allzu oft. Können Sie sich
vorstellen, dass Georg Eicksen zu so etwas in der Lage wäre?«
Wesendonk schmunzelte. »Der war eigentlich zu allem in der Lage. Er
war der beste Kampfschwimmer, dem ich je begegnet bin. Hat mich auch immer
wieder geschlagen, bei diversen Wettkämpfen. Und doch war er ganz bescheiden.
Einmal hat er sogar einen Weltmeistertitel bei einem Militärwettkampf
gewonnen.«
Das hatte Wärmland schon von Ossendorff gehört. Wann würde er
endlich etwas Neues erfahren, was ihn weiterbrachte? »Seine Fähigkeiten passen
genau zu dem, was sich bei uns abgespielt hat. Der Täter muss ein sehr fähiger
Schwimmer und Taucher sein. So wie Ihr alter Kumpel Eicksen. Wir sind sicher,
dass er es war. Aber wir wissen nicht, wo er ist. Und wir wissen nicht, warum
er es getan hat. Darum hoffe ich, dass Sie mir dabei vielleicht etwas
weiterhelfen können.« Er schaute Wesendonk erwartungsvoll an.
»Ihnen fehlt also das Motiv?«
»Genau. Wissen Sie denn etwas über sein Privatleben, was uns
weiterhelfen könnte?«
Anstatt direkt darauf einzugehen, fragte Wesendonk nur, ob Wärmland
auch noch einen Tee wolle, was Wärmland bejahte.
Wesendonk kehrte schließlich wieder mit zwei vollen Bechern zurück,
setzte sich Wärmland gegenüber und begann zu erzählen. Von einem glücklich
verheirateten Kampfschwimmer, der treu zu seiner jungen Frau gestanden hatte,
auch wenn sie noch so lange auf See unterwegs und die fleischlichen
Verlockungen in der Ferne immens gewesen waren. Wesendonk zufolge hatte Eicksen
einen unbeugsamen Charakter und einen eisernen Willen besessen, der ihn alle
Anfeindungen hatte überstehen lassen.
»Nur leider«, ergänzte Wesendonk und machte dabei eine
entschuldigende Geste, »hatte seine Frau da einen ganz anderen Charakter.
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