Tod am Laacher See
Eltern an diese Reisen erinnert. Und
dann war dort das Grauen von Massakern und Krieg ausgebrochen, was zuvor nur
wenige Menschen für möglich gehalten hatten.
Aber jetzt gab es gute Aussichten, dass Stefan mit derartigen
Erlebnissen nichts würde zu tun haben müssen.
Die weitere Ausstellung gab dann ja auch weniger Anlass zur Sorge,
weil sie bis in die Jetztzeit eine kontinuierliche Entwicklung zum Miteinander
der Menschen aufzeigte. Weg vom Kalten Krieg und dem Mauerbau in Berlin, der
mit seinen furchtbaren Konsequenzen sowohl Stefan als auch Wärmland selbst noch
einmal sehr betroffen machte.
Die in der Nähe eines original italienischen Eiscafés aufgestellte
Jukebox mit Musik der fünfziger und sechziger Jahre lag zwar nicht so ganz auf
Stefans Wellenlänge, aber sie war nicht übel, um nach der schweren Kost der DDR -Abteilung in eine leichtere Stimmung zu gelangen.
In der obersten Etage setzte der rosafarbene und mit Blüten bemalte
Hippie- VW -Bus aus den Sechzigern noch eins drauf.
Und wie Wärmland es schon fast vermutet hatte, interessierte sich Stefan sehr
für diese Menschen, die in gewöhnlicher Straßenkleidung im Bundestag die
Anfänge der grünen Politik gestaltet hatten. Er nahm angesichts des nunmehr
beschlossenen Atomausstiegs außerdem erstaunt zur Kenntnis, wie lange das Thema
Atompolitik zwischen rechts und links schon umkämpft war.
Als sie das Museum verließen, wurden sie von einem beinahe
wolkenfreien Himmel mit strahlender Sonne empfangen. Die Luft war so klar und
rein, dass sie die beiden sofort zu einem Ausflug zurück in die Eifel lockte.
Sie steuerten den Booser Eifelturm an. Der Herbst gab sich bei diesem Wetter
noch einmal mächtig Mühe, gut auszusehen, und ließ das Laub entlang der Strecke
musterhaft leuchten.
Vom Parkplatz war es noch ein Fußweg von zehn Minuten, bis sie auf
der Aussichtsplattform des fünfundzwanzig Meter hohen Holzturmes standen.
Stefan war begeistert vom gigantischen Panorama, das die Landschaft in dieser
klaren Herbstluft in beinahe unwirklicher Schönheit präsentierte.
»Der Berg da drüben genau im Westen ist der Hochkelberg«, erklärte
Wärmland seinem Sohn. »Und das da drüben genau im Norden ist ein uralter
Vulkankegel mit der Nürburg obendrauf. Links davon kannst du Teile der
Freizeitanlage vom Nürburgring erkennen. Siehst du die Achterbahn? Ja, und
diese Erhebung da im Nordosten, die mit der kleinen Spitze obendrauf, das ist
die Hohe Acht mit dem Kaiser-Wilhelm-Turm, auch ein Vulkan und der höchste Berg
der Eifel.«
»Ist das dahinten am Horizont der Sendeturm auf dem Koblenzer
Kühkopf?«, wollte Stefan wissen, was Wärmland bejahen konnte. Beide berauschten
sich am Spiel der Herbstfarben und an der Ruhe, die diese ganze Szenerie
ausstrahlte. Alles wirkte so plastisch und schön.
Stefan wies auf den unmittelbar zu Füßen des Turmes im Westen
liegenden Doppelkrater des Booser Doppelmaares.
»Die wassergefüllten Maare sind zwar die bekanntesten vulkanischen
Formen neben den herausragenden Vulkankegeln«, setzte Wärmland seine
Informationen fort. »Aber tatsächlich gibt es insgesamt sage und schreibe etwa
siebenhundert vulkanische Eruptionsstellen von Ausbrüchen, von denen die
meisten allerdings eher unscheinbar und nicht so leicht erkennbar sind wie die
Maare, für die die Eifel so berühmt ist.«
Der Wind wurde etwas stärker und wehte frisch um den Booser
Schneeberg mit seinem spektakulären Turm, der ganz aus heimischen
Douglasienstämmen errichtet worden war. Der Moment kam, da sie nicht nur den
Heimweg anzutreten hatten, sondern auch einen markanten Appetit verspürten.
Sie brachen auf und fuhren über Boos und Lind in Richtung Mayen. Als
Wärmland vor Hirten an der Einmündung der B 410 in die B 258 halten musste und
er nach links in Richtung Virneburg schaute, kamen ihm kurz einige unschöne
Bilder aus dem vorletzten Winter in den Sinn. Denn in diesem Wald auf der
anderen Straßenseite hatte man damals die anscheinend von Wildschweinen
zerfleischte Leiche eines Jägers aus Bonn gefunden, und der Mordfall »Indianer«
hatte seinen Lauf genommen. Hoffentlich werden es am Ende meiner Dienstzeit
hier nicht so viele Morde sein, dass ich in jeder Ecke des Kreisgebietes derart
nette Erinnerungen habe, dachte Wärmland, bevor er den Wagen nach rechts
lenkte. Sie umfuhren Mayen und erreichten nach einer knappen halben Stunde das
im Maifeld südlich von Polch gelegene Gappenach, wo sie im Café »Kostbar« etwas
aßen. In
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