Tod am Laacher See
Sie
hat es nicht lange ausgehalten ohne Sex, wenn Eicksen auf See war. Sie hatte
immer andere Männer.«
Das war es also. Wärmland wurde schlagartig klar, was das bedeutete.
Untreue und Eifersucht waren Bestandteil so mancher Mordmotive. Wenn Eicksen
herausgefunden hatte, dass ihn seine Frau mit anderen Männern betrog, sprach
vieles dafür, dass die fünf Getöteten aus der Region Kiel früher einmal ihre
Liebhaber gewesen waren. Und dass Eicksen sie erst sehr spät bestraft hatte für
ihre Liebschaft mit seiner Frau. Was sofort weitere Fragen aufwarf. Etwa, warum
er so lange damit gewartet hatte. Es sprach einiges dafür, dass die Zeit dieser
Liebschaften viele Jahre zurücklag. Eicksens Frau war vor einem Jahr gestorben.
Und er war schon einige Jahre Pensionär. Die langen Fahrten auf See lagen
sicher schon sehr viele Jahre zurück. Warum also so spät, dieser Rachefeldzug?
»Und Eicksen wusste davon?«
»Lange Zeit nicht. Es ist eine ganze Reihe von Jahren vergangen,
ohne dass er etwas gemerkt hat. Sie war sehr geschickt.«
Da kehrte ein Seemann nach wochen- oder monatelanger Fahrt heim in
die Arme seiner Frau, in denen kurz zuvor noch ein anderer gelegen hatte. Eine
scheußliche Sache, die Wärmland niemandem wünschte.
»Warum heiraten solche Frauen wohl ausgerechnet einen Seemann? Der
immer wieder wegmuss und längere Zeit nicht da ist?«
»Oh, ich glaube nicht, dass sie unter seiner Abwesenheit an sich
gelitten hat. Ich nehme an, sie brauchte einfach immer wieder einen neuen Kick.
Das hätte sie sicher auch gemacht, wenn er einen normalen Job an Land gehabt
hätte. Es gibt eben solche Menschen. Das liegt wohl in ihrer Natur.«
»Es muss schrecklich gewesen sein für ihn, als er es erfahren hat«,
meinte Wärmland mitfühlend.
»Es war eine Katastrophe! Er ist völlig zusammengebrochen. Aber da
er sie abgöttisch geliebt hat, hat er es einfach ignoriert, einfach
hingenommen. Ohne auf sie loszugehen oder ihr wehzutun. Er hat es
stillschweigend über sich ergehen lassen, so als wäre es eine unheilbare
Krankheit, für die sie nichts konnte. Ich weiß nicht, wie man so was schafft.
Er hat es aber so gemacht. Obwohl es ihn zu Anfang fast umgebracht hat.«
Wärmland nahm einen Notizblock zur Hand und schrieb fünf Namen auf.
Dann schob er den Block zu Wesendonk rüber. »Das sind die getöteten Männer.
Haben Sie von denen einen gekannt?«
»Nein«, antwortete Wesendonk bestimmt und ohne Zögern. »Aber sicher
haben alle Frau Eicksen gekannt.«
»Was wohl bedeuten dürfte, dass sie alle mal Liebhaber von Frau
Eicksen waren. Weshalb Eicksen sie viele Jahre später umgebracht hat.« Wärmland
fand, es war die einzige plausible Erklärung. Aber eine Frage blieb auch jetzt
immer noch.
»Hatte denn Frau Eicksen immer nur was mit Marinesoldaten?«
»Ach was.« Wesendonk schüttelte leicht den Kopf. »Es waren auch ein
paar Briefträger dabei.« Jetzt schmunzelte er. »Sie hatte auch außerhalb der
Marine ihre Kontakte.«
»Aber in der Gruppe der Angler gab es nur einen Zivilisten. Eicksen
hat also fast nur ehemalige Marinekameraden umgebracht.«
»Und das wundert Sie?« Wesendonk schien nun selbst verwundert.
»Seinem Kodex ›Man fängt nichts mit der Frau eines Kameraden an‹ entsprechend
hat sich Eicksen auf genau die gestürzt, die dagegen verstoßen haben. Ansonsten
wäre er auch sicher immer noch beschäftigt. Ihm ging es um die lieben
Marinekameraden. Erstaunlich nur, dass er so lange gewartet hat.«
Offenbar wusste Wesendonk nichts von den schweren familiären
Schicksalsschlägen, die Eicksen getroffen hatten. Wärmland klärte ihn auf.
»Das muss ihn innerlich zerstört haben«, sagte Wesendonk. »Er hat
schon seine Frau mächtig geliebt. Aber seine Tochter hat er vergöttert. Und die
kleine Anna, seine Enkeltochter, war sein Stern. Sein Ein und Alles.«
Wärmland nickte. Nun hatte er gefunden, wonach er gesucht hatte. Das
Warum.
Sein Blick fiel auf einen Schreibtisch in der Zimmerecke, auf dem
ein Computer stand. Ihm fiel ein, dass er noch gar nicht wusste, wann und wie
er nach Hause kommen würde. Behrens hatte sich noch nicht gemeldet. Vielleicht
war die Situation mit seiner Mutter schlimmer, als er zunächst vermutet hatte.
»Haben Sie Internetanschluss?«, fragte er Wesendonk.
»Na klar. Das ist keine Attrappe aus Walknochen. Ich mach Ihnen den
Kasten an, wenn Sie wollen.«
Wärmland fand heraus, was er schon befürchtet hatte: Den nächsten
Zug um siebzehn Uhr neunundvierzig, der um
Weitere Kostenlose Bücher