Tod am Laacher See
weniger als einer halben Stunde schafften sie auch die restlichen
vierunddreißig Kilometer bis zur Koblenzer Südstadt, und Wärmland konnte seinen
Sohn pünktlich zu Hause absetzen. Sie verabschiedeten sich wie gewohnt
herzlich. Und doch fragte sich Wärmland, wie sich die weiterentwickelnde
Pubertät seines Sohnes wohl auf ihre Vater-Sohn-Beziehung auswirken würde.
Bisher hatte er noch keine allzu deutlichen Einbußen hinnehmen müssen, auch
wenn die Antworten seines Sohnes insgesamt ein frecheres Niveau angenommen
hatten. Aber das war in seinen Augen auch gut so. Schließlich sollte sein schon
immer recht pfiffiger Sohn nicht plötzlich in seiner natürlichen Entwicklung
stehen bleiben. Sicher würde eine Zeit kommen, da er als Vater etwas mehr würde
einstecken müssen. Wenn der kindliche Charakter mehr und mehr dem kritischen
Teenager weichen musste. Aber das hatte er seinen Eltern zugemutet, also war es
nur recht, wenn er das nun auch selbst geduldig hinnahm. Noch gab es keine
Anzeichen für eine grobe Pubertätsverrohung. Aber die Dinge waren in Bewegung.
Sein Sohn hatte begonnen, ein Mann zu werden. Wärmland musste schmunzeln
angesichts dieser Gedankengänge. Und er freute sich auf das nächste
Papa-Sohn-Wochenende.
ELF
»Chef, wir haben da jemanden gefunden, eine Verwandte von
Frau Eicksen«, sagte Regine Nau, kaum dass sie die Tür zu Wärmlands Büro hinter
sich geschlossen hatte.
Wärmland war erstaunt. »Ich dachte, es gebe da niemanden mehr in der
Familie. Wo sind Sie fündig geworden?«
»In einem Altenheim in Koblenz, die sogenannte Seniorenresidenz in
Moselweiß. Eine vierundneunzigjährige Dame, die dort seit drei Jahren lebt.
Hier ist die Nummer.« Sie reichte Wärmland einen Zettel mit der Nummer der
Zentrale des Altenheims.
»Wie sind Sie auf diese Verwandte gestoßen?«
»Eine alte Dame aus der Nachbarschaft in Bell hat sich gemeldet und
gemeint, da könnte es eventuell noch jemanden geben. Sie erinnerte sich dunkel
an eine Elise Mühlhaupt, eine ältere Tante, die wohl in Koblenz gelebt hat. Ich
habe daraufhin ein paar Telefonate geführt und bin schließlich beim Altenheim
gelandet.«
»Prima. Da will ich mein Glück doch gleich mal versuchen.«
Wärmland wählte die Nummer und wartete. Er wollte schon auflegen,
als sich eine Frauenstimme meldete. Er stellte sich vor und fragte nach Elise
Mühlhaupt. Die Frau am Telefon reagierte recht erschrocken und wollte wissen,
ob etwas Schlimmes geschehen sei.
Wärmland war versucht, etwas zu sagen wie: »Frau Mühlhaupt hat in
einer Boutique in der City ein paar Dessous mitgehen lassen.« Aber dann
beherrschte er sich und erklärte ganz ruhig, dass es keinerlei Grund zur
Besorgnis gebe, da es nur um ein paar Fragen zu ihrer verstorbenen
Verwandtschaft ginge, deren einzige bekannte Verwandte sie sei.
Die Frau am Telefon zeigte sich nun etwas entspannter und verband
Wärmland.
»Mühlhaupt«, meldete sich eine zarte, aber feste Stimme. »Wer ist da
bitte?«
Wärmland entschuldigte sich für die Störung und stellte sich als
Kriminalkommissar vor, der ein paar Fragen zur Familie hätte.
Frau Mühlhaupt wurde etwas aufgeregt, weil sie nach dem
schrecklichen Unfall von Elena Pauly und deren Kind nichts mehr gehört hatte
von Eicksen. Worum es denn ginge und was denn geschehen sei? Wärmland versuchte,
sie zu beruhigen, und vermied es an dieser Stelle, das ganze Ausmaß der
Tragödie zu benennen. Er sagte ihr lediglich, dass Georg Eicksen verschwunden,
möglicherweise verreist sei und dass man versuchen wolle, sich ein Bild zu
machen von der familiären Situation vor seinem Verschwinden. Sicher gebe es
ganz plausible, unbedenkliche Gründe für sein Verschwinden, aber es gehöre doch
zur Pflicht der Polizei, den Dingen etwas mehr auf den Grund zu gehen.
Frau Mühlhaupt schwieg einen Moment, als wollte sie das Gehörte auf
sich wirken lassen zur Prüfung seiner Bedeutung. Schließlich schlug sie
Wärmland vor, dass er um fünfzehn Uhr dreißig zu ihr kommen könne. Dann habe
sie gerade eine erste Anwendung hinter sich und eine Stunde Zeit vor einer
Massage, nach der sie immer sehr müde sei, was keine gute Voraussetzung für ein
Gespräch sei.
Wärmland willigte ein und verabschiedete sich.
***
Am Nachmittag fuhr Wärmland fast dieselbe Strecke nach
Moselweiß, die er nahm, wenn er seine Mutter besuchte. Nach der Kurt-Schumacher-Brücke
musste er allerdings zunächst der Koblenzer Straße nach links folgen, wo dann
rechts an der
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