Tod am Laacher See
machen.
»Du bist dem Mann sehr entgegengekommen«, sagte er, und Wärmland
versuchte herauszuhören, ob die Aussage einen Vorwurf enthielt.
»Er hatte es verdient«, antwortete er schließlich. »Wir waren uns
doch von Anfang an bewusst, dass Petry etwas Entscheidendes gefehlt hat: die
kaltschnäuzige Härte. Ich hatte immer meine Zweifel, dass er unser Mann ist.
Und du doch auch.«
»Sicher. Trotzdem mussten wir so handeln«, sagte Trobisch.
»Zufälligerweise gab es ja auch ein paar Dinge, die gepasst haben. Und dann die
Falschaussage. Wir hatten keine Wahl.«
»Nein, hatten wir nicht«, bestätigte Wärmland. »Aber jetzt ist ja
alles wieder im Lot. Nur dass wir dummerweise immer noch keinen Verdächtigen
haben.«
»Nein, den haben wir nicht.« Trobisch überlegte einen Moment. »Dass
du noch an die beiden Angler gedacht hast, die am Montag an der Südspitze des
Sees geangelt und die leeren Boote gefunden haben, war cool. Ich hatte das gar
nicht mehr auf dem Schirm, dass die beiden gar keinen Fischer gesehen haben.
Vielleicht bist du im Kopf doch frischer, als es von außen den Anschein hat.«
»Sie haben ja auch nicht explizit gesagt, dass da kein Fischer war.
Zumal der See ziemlich groß ist. Es ist aber nicht ganz unwahrscheinlich, dass
sie Petry gesehen und es erwähnt hätten, wäre er dort gewesen«, war Wärmlands
Antwort.
»Soll das heißen …?«
»Das heißt, dass ich ein klein wenig geblufft habe. Letztlich hatte
ich einfach Glück, dass mich mein Riecher nicht getäuscht hat.«
Trobisch lächelte und schüttelte seufzend den Kopf. Dann
verabschiedete er sich und fuhr zurück nach Koblenz.
Ein paar Minuten danach kam Regine Nau herein.
»Was ist denn aus unserem Hauptverdächtigen geworden? Sie haben ihn
eben von einem Kollegen an die Mosel zurückbringen lassen. Hat er Ihnen fest
versprochen, dass er nie wieder jemanden umbringen wird?«
»Nein, aber eine neue Polizeistrategie nimmt mehr Rücksicht auf die
Befindlichkeit von Kapitalverbrechern. Er hat mir glaubhaft versichert, dass er
Depressionen bekommt, wenn er sich zu lange von seinen vielen ausgestopften
Fischen entfernt«, antwortete Wärmland.
Dann berichtete er kurz von den Umständen, die Petry wieder zu einem
freien Mann gemacht hatten.
»Sie und Ihre Intuition. Ob ich irgendwann auch einmal solches
Gespür entwickeln werde?«
»Ich habe nur ein paar Jahre mehr auf dem Buckel in dem Geschäft. So
was entwickelt sich. Irgendwann sind Sie eine alte Häsin, und ein junger
Kommissar sagt das Gleiche zu Ihnen.«
»Ja, wenn Sie meinen.« Ganz überzeugt schien sie noch nicht. »Aber
jetzt sind wir leider wieder am Nullpunkt.«
»Nein«, widersprach Wärmland fast etwas verärgert. »Man ist nie am
Nullpunkt. Man kommt von Station zu Station. Stellen Sie sich vor, Sie steigen
an jedem Bahnhof aus und stehen auf dem Bahnsteig. Nichts bewegt sich. Sie
nicht und der Zug nicht. Wenn Sie sich in dem Augenblick umschauen, mag es so
erscheinen, als wäre nichts geschehen und als würde nichts geschehen. Trotzdem
sind Sie Ihrem Ziel nähergekommen. Auch wenn es nur der Bummelzug ist, der
überall haltmacht. Wir sind gerade ausgestiegen und schnappen für einen Moment
Luft, bevor wir wieder einsteigen. Und dem Scheißkerl immer näher kommen. So
ist es nämlich. Also bitte keine unnötigen Depressionen.«
Regine Nau schaute ihn an, als sei sie ihm gerade zum ersten Mal
begegnet.
Wärmland war selbst erstaunt über seinen meditativen Vortrag. Er
konnte sich nicht erinnern, in letzter Zeit ein Buch über fernöstliche
Wahrheiten gelesen zu haben. Vielleicht werde ich ja einfach so aus mir selbst
heraus immer weiser, dachte er. Aber ganz geheuer war ihm das nicht. Er fischte
zwei Colafläschchen aus der Vorratsschublade. Sie würden den Reifungsprozess
sicher unterstützen. Jedenfalls spürte er die beruhigende Wirkung ihres
Geschmacks.
***
Die Neuigkeit platzte am frühen Nachmittag wie eine mittelgroße
Bombe in die laufende Ermittlung. Trobisch hatte Wärmland informiert, und der
versammelte sein Team um sich, um zu berichten.
»Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt eine erste heiße Spur!« Ein
Raunen ging durch den Raum. »Ein Fingerabdruck am Boot konnte zugeordnet
werden. Es war der einzelne, sehr schlecht erhaltene Abdruck. Aber jetzt haben
die Kollegen herausgefunden, wer ihn geliefert hat. Er stammt von dem
neununddreißigjährigen Peter Rogalla, einem ehemaligen Feuerwehrmann der
Koblenzer Berufsfeuerwehr. Er wurde
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