Tod am Laacher See
auch Bayern sein, die den Norden und die Küste lieben.
Meinen Sie nicht auch?«, gab Wärmland zu bedenken.
»Nein, das wäre ganz anders. Dann gäbe es wenigstens ein Bild von
einer Alm mit einer Kuh oder vom Watzmann oder eine kleine blau-weiß karierte
Fahne in einem Bierseidel«, sagte sie bestimmt, und Wärmland wunderte sich über
ihre unerschütterliche Überzeugung.
»Na, wenn Sie meinen. Ich dachte, Ihr Steckenpferd wäre Geologie.
Jetzt kommen auch noch Ethnologie und Landeskunde dazu.«
»Ich glaube fast, Sie nehmen mich nicht ernst, Chef«, beschwerte sie
sich mit einem Lächeln. »Aber ich habe einige Verwandtschaft in Bayern. Mein
Vater stammt von dort. Da kriegt man so einiges mit.«
»Okay, da muss ich mich wohl auch in dem Fach geschlagen geben. Wenn
Ihre Vorfahren aus dem Königreich Bayern stammen, kann ich natürlich nicht
mitreden. Obwohl meine Vorfahren auch aus einem Königreich kommen. Aber das ist
schon so lange her, dass keiner mehr aus der Familie dazu was weiß.«
»Ach.« Nau machte ein erstauntes Gesicht. »Woher denn?«
»Aus Schweden, 17. Jahrhundert, Dreißigjähriger Krieg. Aber lassen
wir das jetzt. Kein Zeitpunkt, um unsere royalen Verflechtungen zu
vergleichen.«
Regine Nau schmunzelte. »Na immerhin. Ich dachte schon, Sie stammen
aus irgendeiner nichtssagenden Ecke unserer Republik, wo man erst seit ein paar
Wochen Wasser und Strom hat.«
»Nau, Sie werden frech. Solche Anspielungen lass ich höchstens mal
Hauptkommissar Trobisch durchgehen. Sie müssen sich erst noch bewähren, bevor
Sie mir so kommen.« Er zwinkerte ihr zu. »So. Nach dem kurzen Blick auf unsere
edlen Stammbäume sollten wir uns jetzt ganz auf das Haus konzentrieren. Denken
Sie an die Umstände. Wir benötigen Hinweise darauf, ob wir uns im Haus eines
Unschuldigen oder in dem eines Mörders befinden. Richten Sie also Ihr Radar
danach aus, was wozu passen könnte. Unschuld oder Tat, Rentner oder Mörder mit
Rente, verstehen Sie, was ich meine?«
Regine Nau nickte schmunzelnd und begann, langsam den Raum zu
durchwandern.
Wärmland ließ den Blick schweifen. Er fand das Wohnzimmer
grundsätzlich ganz ansprechend. Allerdings zeugte dieser Raum von einer
gewissen Vernachlässigung. Staub war hier schon lange nicht mehr gewischt
worden. Zeitungen und Zeitschriften stapelten sich neben der Schrankwand.
Dieser Raum hatte den Stempel eines schmuddeligen Single-Wohnraumes. Aber
zumindest eines fehlte bisher: Wärmland sah keine einzige Flasche Alkohol, weder
voll noch leer.
Er ging in den angrenzenden Flur. Weitere Stapel von Zeitungen und
Kartons mit Altpapier. An den Wänden eine dezent gestreifte Tapete und weitere
Seefahrtmotive. Die Küche zeigte die stärksten Anzeichen von Vernachlässigung.
Der Geruch war Wärmland schon im Wohnzimmer begegnet, allerdings dezenter. Hier
hatte er wohl seine Ausgangsbasis. In der Spüle stand ungereinigtes Geschirr.
Es gab auch eine Spülmaschine, die offen stand und halb gefüllt war. Eine Menge
Altglas türmte sich in einer Ecke neben einem Kiefernholzschrank mit verglasten
Türen, durch die Gläser und Porzellan zu erkennen waren. In einer anderen Ecke
lag wieder Altpapier, ganz obenauf ein Magazin über Motorjachten. An einer Wand
hing ein Porzellanhalter mit großen blau-weißen Tellern, auf denen stilisierte
Fische abgebildet waren. Dieses Geschirr kannte Wärmland, eine Serie von
Villeroy & Boch. Durch die blau-weiß gestreifte Tapete wirkte der Raum
maritim kühl. Eine solche Farbgestaltung hätte Wärmland eher in einem Badezimmer
vermutet.
Bisher hatte er nichts entdecken können, was ihm irgendeinen Hinweis
auf Eicksens Täterschaft gegeben hätte. Wärmland fragte sich, ob Eicksen nicht
noch einen persönlicheren Platz gehabt hatte, eine Stelle, die mehr über ihn
zum Ausdruck brachte als diese Dinge des täglichen Lebens. Das konnte zum
Beispiel ein bestimmter Raum sein. Jäger hatten manchmal ihr sogenanntes
»Jagdzimmer«, das sie mit sehr persönlichen Erinnerungsstücken und Jagdtrophäen
ganz individuell einrichteten. Als ehemaliger Marinesoldat hatte sich
vielleicht auch Eicksen so ein kleines privates Reich geschaffen, das nur ihm
gehörte. Aber die Hausbegehung war ja noch nicht beendet. Michalski war in den
Keller hinuntergegangen, Peschulat nach oben. Regine Nau folgte weiter Wärmland
auf dessen Erkundungsgang. Der wusste aus Erfahrung, dass das Reich eines
Mannes oft im Keller oder im Obergeschoss eines Hauses zu finden war, etwas von
der
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