Tod am Laacher See
Hauptbühne des täglichen Geschehens entrückt. Also verließ er mit Regine
Nau die Küche, ging in Richtung Haustür und stieg dort die neben der Tür
beginnende Treppe hinauf. Auch im Treppenaufgang hingen maritime Motive. Ein
Leuchtturmbild ließ Wärmland innehalten. Es kam ihm bekannt vor. Und
tatsächlich: Es war der Phare de St. Mathieu an der Westküste der
Bretagne, wo Wärmland einmal zusammen mit seiner Familie Urlaub gemacht hatte.
Er fühlte sich eigenartig berührt von der Möglichkeit, dass er ebenso wie ein
möglicher Mörder emotional mit einem Bauwerk in Frankreich verbunden war.
Oben gab es ein kleines Bad und eine Art Gästezimmer. Persönliche
Dinge fehlten hier völlig, abgesehen von einem gerahmten Druck mit dem
unvermeidlichen Meermotiv: ein Segelschiff, das vor einem Sonnenuntergang
kreuzte. Das war das bisher kitschigste und schlechteste aller Motive, die
Wärmland gesehen hatte. Aber Besuchern, die nur kurz verweilten, konnte man
wohl so etwas zumuten. Ein Bügelbrett stand in einer Ecke neben einem billigen
weißen Kleiderschrank. Das Bett war ordentlich gemacht, die Überdecke zierten
zahlreiche Seesterne und Muscheln. Die Eicksens waren konsequente Menschen
gewesen, zumindest was das Innendesign ihres Heims anbelangte. Der nächste
Raum, den Wärmland betrat, war offenbar das Schlafzimmer. Es wirkte ebenso
ordentlich und unbenutzt wie das Gästezimmer. Das Auffälligste hier war ein
riesiges Bild von einem Segelschiff, das aus den Kanonen der in mehreren Etagen
übereinander angeordneten Kanonendecks auf ein anderes Segelschiff feuerte,
dessen Hauptmast gerade geborsten war und umstürzte.
Ganz schön viel Dramatik für einen Raum der Ruhe und des Schlafes.
Aber vielleicht in anderer Hinsicht auch wieder anregend. Wärmland wollte
dieses Gedankenfeld jedoch nicht weiter ergründen.
Peschulat stand vor einer Tür am Ende des Ganges. »Dieser Raum hier
ist abgeschlossen. Ein Schlüssel steckt aber nicht.«
»Das macht die Sache umso interessanter«, sagte Wärmland und rief
nach dem Mann vom Schlüsseldienst. Der leistete dem Ortsbürgermeister im Flur
Gesellschaft und kam nun die Treppe hinauf, gefolgt von Michalski.
»Schon spannend, wenn so ein älterer Herr einen dermaßen gut
ausgestatteten Trainingsraum hat«, sagte der. »Hätte ich nicht mit gerechnet
bei einem Pensionär. Ein ganzer Turm mit den Standardsachen für Bankdrücken,
Gewichtstraining über Seilzüge, Klimmzugstange und so weiter, außerdem jede
Menge große und kleinere Hanteln. Mein Bruder hat ein Fitnessstudio in
Ahrweiler. Da stehen auch solche Sachen herum. Ziemlich professionell, die
Anlage unten im Keller. Und es wirkt nicht so, als ob es längere Zeit unbenutzt
da gestanden hätte.«
»Er hält sich also fit«, meinte Wärmland nachdenklich. Der Gedanke,
der ihn nicht mehr losgelassen hatte, seit er von Eicksens Marinevergangenheit
erfahren hatte, rumorte immer heftiger in seinem Kopf. Sie verdächtigten im
Fall Kevin Malchow einen Marinesoldaten. Aber drei der vier Opfer des
»Tauchers« waren ebenfalls ehemalige Angehörige der Marine. Sollte das
tatsächlich nur ein Zufall sein? Vielleicht gab es in diesem verschlossenen
Raum die entscheidende Antwort.
»Okay, jetzt brauchen wir noch mal den Profi für die verschlossene
Tür«, sagte Wärmland und ging zur Seite, um dem Mann vom Schlüsseldienst Platz
zu machen. Regine Nau ließ derweil ihren Blick schweifen. Er fiel auf einen
Glaskasten, der ziemlich hoch an der gegenüberliegenden Wand befestigt war und
in dem so etwas wie Strandgut präsentiert wurde: eine Feder, wahrscheinlich von
einer Möwe, eine beinahe vollständige Eierschale mit lustigem Fleckenmuster,
Sand, Steine und ein paar Muscheln. Sie trat zu diesem Kasten, hob die Hand und
tastete über die Oberfläche, die nicht einsehbar war. Als sie ihren Arm
zurückzog, drehte sie sich um und hielt Wärmland einen Schlüssel hin, noch
bevor der Schlüsselprofi sein Werkzeug einsetzen konnte.
Wärmland konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, obwohl seine
Anspannung aufgrund seines Verdachts und seiner Erwartungen enorm war.
Der Schlüssel passte. Wärmland öffnete behutsam die Tür, als
fürchtete er, Eicksen beim Mittagsschlaf zu stören. Aber hier war niemand. Er
sah sofort, warum das Ehebett im Schlafzimmer so tadellos hergerichtet gewesen
war: Hier stand ein Sofa mit breiter Sitzfläche, auf dem ein großes Kopfkissen
und eine zurückgeschlagene Decke lagen. Indizien dafür, dass der
Weitere Kostenlose Bücher