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Tod am Nil

Tod am Nil

Titel: Tod am Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Gill
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bei Sonnenuntergang allein zu Abend, und dann ging er in sein Büro, um zu arbeiten. Er sah keines seiner Kinder an diesem Abend, mit Ausnahme der ältesten Tochter, die achtzehn und unverheiratet ist und als seine Sekretärin arbeitet. Die mittlere Schwester entdeckte die Leiche, als sie um die sechste Stunde der Nacht nach Hause kam.«
    »Wann ließ er dich rufen?«
    »Gleich darauf. Und ich bin sofort hingegangen, wie gesagt.« Merymose sah bekümmert aus. »Ich meldete den Mord, sobald ich Renis Haus verlassen hatte, postierte einen Mann dort und befahl, nichts anzurühren; das war um die neunte Stunde. Dann habe ich auf Anweisungen gewartet. Etwa zur zweiten Stunde des Tages erfuhr ich, daß Kenamun die Ermittlungen führen soll. In beiden Mordfällen.«
    »Innerhalb derselben Frist, die man dir gesetzt hatte?«
    Der Medjay lächelte müde. »Nein. Die Frist wurde aufgehoben, denn sogar sie müssen einsehen, daß es zwischen den beiden Todesfällen einen Zusammenhang gibt.«
    Huy antwortete nicht. Er kannte Reni gut, denn er war der einzige Schreiber, der sowohl unter Echnaton als auch unter dem neuen Regime ein hohes Amt innehatte. Es war mehr als wahrscheinlich, daß er sich seine Freiheit mit dem Verrat ehemaliger Kollegen erkauft hatte. Jedenfalls war er weitsichtig genug gewesen, schon vor Echnatons Tod zu widerrufen, nachdem er sich eines Nachts mitsamt seiner Familie an Bord einer Barke diskret von der Stadt des Horizonts verabschiedet hatte. In der Südlichen Hauptstadt angekommen, hatte er laut und öffentlich seine Loyalität zu den alten Göttern verkündet, dem Aton abgeschworen und sich auf Gnade oder Ungnade den Amunpriestern anheimgegeben, die immer kühner geworden waren, je mehr dem revolutionären Pharao die Wirklichkeit und das Reich aus der Hand glitten.
    »Ich kann deine Gedanken lesen«, sagte Merymose. »Du auch meine?«
    »Der Zusammenhang ist zu vage.« Aber Huys Gedanken waren zu Surere gewandert. »Überhaupt«, fuhr er fort, »ich wüßte nicht, wie ich dir helfen kann. Du hast selbst gesagt, daß du ein Risiko eingehst, wenn du dich mit mir triffst.«
    »Ich weiß nicht einmal, warum ich dir vertraue. Aber unter meinen Leuten gibt es niemanden, der einen so gewitzten Verstand hat wie du. Es ist eine Gabe des Ptah; du scheinst dein Handwerk instinktiv zu verstehen.«
    »Taheb muß ja ein hohes Loblied auf mich gesungen haben.«
    »Ich habe dir jetzt zweimal selbst zugehört.« Merymose stand auf und wandte sich zur Tür. »Sieh für mich hinaus, ob ich mich hinauswagen kann.«
    »Du darfst dir nicht angewöhnen, herzukommen.«
    »Ich werde Kenamun fragen, ob wir dich als Ermittler in Dienst nehmen können. Er ist aufgeschlossener als der Priester-Verwalter, und er will in dieser Sache um jeden Preis erfolgreich sein. Wenn du den Fall aufklärst, kann er allen Ruhm für sich beanspruchen, denn vor der Öffentlichkeit darf dein Name nie fallen.«
    »Du gibst mir wenig Anreiz, euch zu helfen.«
    »Du bist nicht zum Papiermacher geboren, Huy.«
    »Ich weiß nicht, wozu ich geboren bin. Ich weiß nicht mal, ob es darauf ankommt.«
    »Vielleicht hast du jetzt deine wahre Berufung gefunden. So etwas kommt vor.«
    Huy schwieg, bevor er antwortete.
    »Ich habe eine Frage an dich.«
    »Ja?«
    »Was hast du in der Zeit des Großen Verbrechers getan?«
    Merymoses Gesicht verhärtete sich, und es dauerte lange, bis er antwortete. Als er schließlich sprach, war seine Stimme leise. »Ich war in der Garnison in Byblos. Als Aziru schließlich seine Khabiri gegen uns schickte, waren wir drei Jahre lang belagert gewesen. In dieser ganzen Zeit hat der Große Verbrecher auf alle unsere Hilfeersuchen nicht einmal geantwortet. Wir hungerten und siechten dahin. Viele starben an Typhus. Es war ein himmelweiter Unterschied zum Leben am goldenen Hof in der Stadt des Horizonts. Als die Khabiri dann angriffen, waren wir machtlos gegen sie. Sie sind Wüstenpiraten. Männer und Kinder schlachteten sie ab, die Frauen nahmen sie mit. Weil ich Offizier war, dachten sie sich für mich eine besondere Behandlung aus. Sie vergewaltigten meine Frau und meine zehnjährige Tochter vor meinen Augen, und zwar jeweils zu dritt: Jeder steckte seinen Penis in eine der Leibespforten. Dann machten sie sich mit ihren Speeren über sie her. Mich warfen sie von der Bastion ins Meer, aber die Klippen kannten kein Erbarmen und töteten mich nicht, obwohl ich mich nie so sehr nach dem Tod gesehnt habe wie damals. Aber der Mensch muß

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