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Tod am Nil

Tod am Nil

Titel: Tod am Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Gill
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seltener, daß sie keine Spur von Gewalt an den Leichen hinterlassen. Die Ähnlichkeit beider Fälle ist niemandem entgangen, und man befürchtet, daß die Töchter aller reichen Familien in Gefahr sind. Jetzt bestürmen sie uns, Wachposten vor ihren Häusern aufzustellen, und weil diese Leute so viel Einfluß haben, können wir es nicht ablehnen.«
    »Die Mädchen müssen doch Freundinnen gehabt haben. Hast du mit denen gesprochen?« Huy beschloß, vorläufig für sich zu behalten, was er über Iritnofret erfahren hatte. Es hatte keinen Sinn, Merymose etwas zu erzählen, was sich nicht beweisen ließ. Außerdem hütete Huy sich davor, dem Medjay restlos zu vertrauen.
    »Ja, mit einigen. Natürlich kannten die beiden Mädchen sich auch gegenseitig - sie gehören ja alle zur selben Gesellschaftsschicht. Anscheinend war Ipukys Tochter aufsässig; aber entweder weiß die Familie selbst nicht genau, was sie so getrieben hat, oder man verheimlicht es. Das andere Mädchen... « Merymose zögerte.
    »Ja?«
    »Nichts. Ein ganz normales Mädchen.«
    Huy nickte.
    »Die beiden Brüder waren sehr wütend«, fuhr Merymose zuversichtlicher fort. »Nun, einer ist wütend; der andere neigt eher zu einer philosophischen Betrachtungsweise - wie sein Vater.«
    »Philosophisch?« Huy versuchte, sich seine eigene Wut vorzustellen, wenn der kleine Heby ermordet worden wäre.
    »Ich meine, sie nehmen es hin, was geschehen ist, sehen keinen Sinn darin, gegen das Schicksal zu zürnen. Ich weiß aber, daß Ipuky seine eigenen Leute darauf angesetzt hat, den Mörder zu finden und seine Tochter zu rächen.«
    »Sie werden so viel Schlamm aufwühlen, daß man gar nichts mehr sieht.«
    »Was bleibt ihnen anderes übrig? Sie wissen, daß die Medjays völlig unerfahren darin sind, in Mordfällen zu ermitteln«, wiederholte Merymose.
    »Und wenn es ein Dämon war?«
    »Die Priester der beiden Familien haben sich an Osiris um Rat gewandt. Bis jetzt hat er noch keinen gegeben, was die Priester als Zeichen verstehen, daß die Götter ihre Hand nicht im Spiel haben.«
    Huy fragte sich, wie tief Merymoses Glaube an die Götter wohl reichte. Da er selbst jedoch auch nur ein Mensch war, bedauerte er, daß er jetzt verpflichtet war, mit Merymose zusammenzuarbeiten. Wenn er könnte - wie gern würde er sich an einen der beiden reichen Männer verdingen, deren Töchter tot waren. Der Lohn, den Merymoses und Kenamuns Behörden ihm zukommen lassen würden, nähme sich bestimmt aus wie ein kleines Taschengeld, verglichen mit den Summen, die Reni oder Ipuky zahlten. Und wenn er keinen Erfolg hätte, würde er wahrscheinlich überhaupt keinen Lohn bekommen. Er tröstete sich jedoch mit dem Gedanken, daß er, ob man ihn nun bezahlte oder nicht, jetzt die Gelegenheit hätte, in Kreise der Stadt vorzustoßen, die ihm sonst verschlossen blieben.
    Er blickte auf und sah, daß Merymose ihn angrinste. »Ich weiß, was du denkst«, sagte er. »Aber weder Reni noch Ipuky hätten dich engagiert. Jetzt, wo ein entflohener politischer
    Sträfling frei herumläuft, scheut jeder den Kontakt mit Leuten wie dir. Die wirklich großen Fische haben natürlich keine Angst, aber selbst hohe Beamte, die formell widerrufen haben, schauen sich im Augenblick ängstlich um. Und daß die Morde gerade jetzt passierten, verschlimmert alles noch.«
    »Dann danke ich dir, daß du mir überhaupt Arbeit verschafft hast.« Daß Merymose Mut hatte, mußte Huy ihm zugestehen, aber er fragte sich doch, an welchen Drähten Merymose hatte ziehen müssen, um Kenamun dazu zu bringen, seine Hilfe in Anspruch zu nehmen. Huy lächelte in sich hinein. Ich glaube, sagte er sich, es ist an der Zeit, daß ich meinem Ka einen Namen gebe und es Taheb nenne.
    »Was hast du in der Papierfabrik gesagt?«
    »Daß sich in meinem alten Beruf etwas ergeben habe. Sie haben keine Fragen gestellt. Außerdem bin ich so lange geblieben, bis sie einen Ersatzmann für mich gefunden hatten. Und man sagte mir, ich könnte jederzeit wieder Arbeit bekommen, wenn ich will.« Huy grinste. Nichts würde ihn in diese Knochenmühle zurückbringen.
    Sie hatten das Ende der Fährenanlegestelle erreicht, und vor ihnen lag das dichte Straßengewirr der Stadt, deren eintöniges Beige, Grau, Ocker, Braun und Weiß matt im Sonnenlicht schimmerte. Erleichtert, der Nachmittagshitze zu entkommen, bogen sie in eine schattige Gasse ein. Hier und da dösten ein Mann oder ein Esel. Ein streunender Hund trottete auf sie zu, sah sie hungrig und

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