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Tod am Zollhaus

Tod am Zollhaus

Titel: Tod am Zollhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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und auf der Dachterrasse hielten sie nach ihren Schiffen Ausschau. Das Baumhaus gehörte den Hamburger Bürgern, und mit dem Hafenmeister und den Zollknechten, die im angebauten Zollhaus regierten, hatte er – gottlob – nichts zu schaffen. Warum war er nur hier? Das Baumhaus lag nicht an seinem Heimweg, sondern genau in entgegengesetzter Richtung.
    Er atmete tief durch. Aufstehen, dachte er, du musst aufstehen und einfach losgehen. Zu viel Hamburger Bier, wieder zu viel Bier. Ach, Helena. Wieder hatte er seine Versprechen nicht gehalten.
    Es nutzte wenig, im Regen zu sitzen und über Sünden nachzudenken. Jean rappelte sich auf. Der Boden schwankte nur noch leicht. Von hier war es nicht weit bis zum Haus der Krögerin.
    Und dann? Was war dann passiert?
    Er erinnerte sich, dass er noch ein Weilchen im Regen gesessen und sich den kürzesten Weg vom Baumhaus zur Fuhlentwiete überlegt hatte.
    Dann hatte er den Mann entdeckt. Gerade als ihm eingefallen war, dass er nur über die Brücke am Ende des Steinhöft und dann immer am Herrengraben entlanggehen musste, um den Kröger’schen Hof und sein warmes, trockenes Bett zu erreichen, sah er ihn. Er lehnte nur wenige Schritte entfernt mit dem Rücken an der Tür des Zollhauses. Ein Hut lag neben ihm im Schlamm, sein Gesicht und seine Hände schimmerten fahl im Dunkel, er sah aus wie eine Marionette, der jemand die Fäden abgeschnitten hatte.
    «Steh auf, mein Freund», murmelte Jean und beugte sich über die Gestalt, «wer immer du bist. Wir müssen nach Hause. Auch sanfter Regen wird mal kalt.»
    Zuerst konnte er sich nicht an das Gesicht erinnern, aber dann erkannte er den Schreiber, mit dem er gewürfelt hatte. Der hatte sich wohl in die Spelunke verirrt. So einen Rock aus feinem englischen Tuch sah man dort nur selten.
    «Wach auf», flüsterte Jean und rüttelte den Schreiber an der Schulter, «wach auf.»
    Der Mann rührte sich nicht.
    «Ich kann dich nicht tragen, du musst schon selber gehen», brummte Jean, «heute Nacht kann ich nicht mal eine Maus tragen.»
    Er hörte Schritte. Kein Zweifel, sie wurden lauter.
    «Schnell», flüsterte Jean, «die Stadtwache. Wir müssen uns davonmachen. Oder willst du die Nacht im Loch verbringen?»
    Die Schritte kamen immer näher, aber der Schreiber bewegte sich nicht. Jean griff ihn fest am Rock und versuchte ihn fortzuziehen. Ein scharfer Schmerz durchzuckte seine Schulter, und in seinem Kopf schlug ein ganzes Regiment die Trommel. Er hatte sich in der Schenke wohl doch geprügelt.
    «Halt», rief da eine Stimme, «bleibt stehen!»
    «Na gut», seufzte Jean. «Gehen wir eben gemeinsam für diese Nacht ins Loch. Hoffentlich ist es da wenigstens trocken.»
    Aber Jean ging allein ins Loch. Der Mann mit dem guten Rock brauchte keinen Kerker mehr, sondern nur noch eine Holzkiste. Irgend jemand hatte ihm ein langes, scharfes Messer durch das feine englische Tuch direkt ins Herz gestoßen. Nur der Schaft stak noch heraus.
    Und nun hockte Jean in der Fronerei, im Kerker gleich neben der Folterkammer. Er zog die schmutzige Decke über den Kopf und weinte.
     
    Helena blickte nach der Vormittagssonne und schob den Spiegel ein wenig mehr nach links. Ja, so stand er gut. «Manon», rief sie, «komm her, es ist Zeit für die Anprobe.»
    Manon war nicht zu sehen. Sie hockte mit ihrem Bruder Fritz auf dem Heuboden über dem Pferdestall und hoffte, dass Helena sie einfach vergessen würde.
    Manon liebte schöne Kleider über alles. Aber sie hasste Anproben. Mit ihr stimme etwas nicht, hatte Gesine, ihre Mutter, gesagt. Alle Mädchen freuten sich auf Anproben. Nicht alle, hatte Manon geantwortet, ich nicht.
    Seither erzählte Fritz, dass seine Schwester kein Mädchen sei.
    «Lass den Kindern doch diesen Morgen.» Lies schob mit zusammengekniffenen Augen einen Faden durch eine Nadel. Sie hatte sich mit einem Korb voller Kostüme und dem Nähbeutel in die Sonne gesetzt, die endlich den Regen abgelöst hatte. «Wozu eine Anprobe? Ohne Jean können wir doch nicht spielen. Nur gut, dass wir in Lübeck und Schleswig so prächtig verdient haben. Die Krögerin hätte uns kaum aufgenommen, wenn wir nicht für vier Wochen vorausbezahlt hätten.»
    «Wir müssen aber spielen, Lies. Die Leute sollen sehen, dass wir da sind und keine Angst haben.»
    Lies schüttelte den Kopf. «Das interessiert die Leute nicht. Und der Rat wird uns die Erlaubnis nicht geben, da können Rosina und Sebastian noch so schön bitten.»
    Sie bekamen die Spielerlaubnis

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