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Tod am Zollhaus

Tod am Zollhaus

Titel: Tod am Zollhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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tatsächlich nicht.
    «Aber immerhin dürfen wir in der Stadt bleiben, bis der Prozess zu Ende ist», berichtete Sebastian.
    «Dürfen! Das ist gut», schimpfte Helena. «Wahrscheinlich lässt man uns gar nicht aus dem Tor, solange Jean in der Fronerei sitzt.»
    «Hör auf, Helena.» Rosina umarmte sie schnell. «Wir haben viel zu tun. Jean ist bald wieder frei, und bis dahin muss alles fertig sein. Lass uns in die Komödienbude gehen und sehen, was da zu tun ist.»
    In anderen großen Städten wie Leipzig, Braunschweig, Kiel oder Frankfurt im Hessischen bauten die Becker’schen Komödianten für jedes Gastspiel eine hölzerne Bude aus Balken und Brettern mit einer Bühne und je einer Galerie an der linken und rechten Seite für die betuchteren Gäste. Am Ende der wochen-, manchmal monatelangen Gastspielzeit bauten sie die Bude wieder ab und lagerten das Holz bis zum nächsten Besuch in einem gemieteten Schuppen. In Hamburg aber konnten fahrende Schauspieler, Akrobaten oder Puppenspieler die Komödienbude an der Fuhlentwiete in der Neustadt mieten. Wer es sich leisten konnte, gastierte allerdings lieber in der einst prächtigen alten Oper am Gänsemarkt, die seit vielen Jahren leerstand. Die Hamburger Bürger waren die ersten in Deutschland, die sich schon vor fast hundert Jahren wie sonst nur die Fürsten und Könige eine Oper gebaut hatten. Doch die glanzvollen Jahre waren längst vergangen. Noch in diesem Frühjahr sollte das große, baufällige Haus nun endlich abgerissen werden.
    Die Komödienbude hinter der Fuhlentwiete war dagegen wirklich nur eine Bude.
    «Passt auf!»
    Rudolf stand auf der Bühne und zeigte mit dem Messstock auf ein Loch im Bretterboden. Helena, Rosina und Sebastian blieben stehen und sahen sich um.
    «Wenn ihr an den Wänden entlanggeht, seid ihr sicher. Nur in der Mitte sind ein paar Bretter gebrochen», sagte Rudolf. «Und das Dach», sein Messstock wies nach oben, «lüftet besser, als uns lieb sein kann.»
    «Warst du schon auf den Galerien?» Sebastian schaute misstrauisch die steile Stiege hinauf.
    «Es sieht schlimmer aus, als es ist.»
    Ob das stimmte, war nicht sicher, aber für Rudolf gab es außer Gesine wenig, was er mehr liebte als die Baumeisterei. Während Helena und Rosina verzagt das staubige Durcheinander von zerborstenen Brettern, alten, kaputten Kulissen anderer Komödianten und das recht durchscheinende Dach betrachteten, sah Rudolf in dem Chaos schon das Theater.
    «Es ist wirklich nicht so schlimm, wie es aussieht. Und wir haben mal wieder Glück. Möhle wird uns helfen. Ihn kümmert das Geschwätz um Jean nicht. Den Schreiber, sagt er, hat er nicht gekannt. Aber Jean. Und der tue keinem was.» Helena, Rosina und Sebastian schwiegen.
    «Ihr könntet euch ruhig ein bisschen mehr freuen. Möhle ist ein guter Schreiner. Er kommt morgen mit seinem Gesellen und einem Lehrling, und dann fangen wir an. Das Holz kann er auch liefern. Spätestens in zwei Wochen steht hier eine Komödienbude, die mit jedem Fürstentheater mithalten kann.» Damit wandte er sich um und machte sich wieder an seine Messarbeit.
    «Ich wollte, ich hätte deine Zuversicht», sagte Helena mit einem tiefen Seufzer.
    «Die hast du», sagte Rudolf, ohne von seiner Arbeit aufzusehen, «du musst dir nur mehr Mühe geben, es auch zu merken.»
    Mittwochmittag
    Claes öffnete die Tür und trat in den vom Tabakqualm blaudunstigen Raum. In Jensens Kaffeehaus hinter der Börse war wie immer um die Mittagsstunde Hochbetrieb.
    «Claes!» Joachim van Stetten winkte aus einer Nische hinter dem Billardtisch. «Hast du schon gehört?», fragte er, nachdem Claes sich gesetzt hatte. «Archangelsk soll schon eisfrei sein. Spätestens in vier Wochen können wir mit den ersten russischen Schiffen rechnen.»
    Claes nickte. Er kam gerade vom Hafen, dort sprachen alle davon, wie früh in diesem Jahr das Eis zurückgegangen war. Der kleine Umweg durch die Deichstraße und über den Hopfenmarkt hatte ihn erfrischt und die grauen Gedanken vertrieben. Er spürte wieder die alte Zuversicht. Sein Bein schmerzte heute nicht, er fühlte sich jung und tatkräftig.
    «Danke, Jensen», sagte er und nahm dem Wirt die Kaffeetasse ab. «Mit Kardamom?»
    «Mit Kardamom», antwortete der Wirt mit einer kleinen Verbeugung, «wie immer.»
    «Du wirst noch süchtig werden, alter Freund.»
    Claes lachte. «So ist das mit uns Kaffeetrinkern, Joachim. Wenn schon, denn schon.»
    Er nahm einen Schluck und lehnte sich mit sichtlichem Behagen

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