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Tod am Zollhaus

Tod am Zollhaus

Titel: Tod am Zollhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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nicht.» Er legte seine Hände auf ihre Schultern, um sie zurückzuhalten, aber ihr war, als halte er sich an ihr fest.
    «Ich bin so zornig, weil Ihr aussprecht, was ich selbst befürchte und nicht wahrhaben will. Ich finde einfach keinen Grund, warum Joachim mit diesen grauenhaften Anschlägen zu tun haben sollte. Was hat er von meinem Untergang? Was habe ich ihm getan? Und Behrmann? Aber trotzdem scheint es so zu sein.»
    Er holte eine Schatulle aus dem großen Kontorschrank und schloss sie auf. «Ich will Euch etwas zeigen». Er nahm drei Briefe heraus und reichte ihr den ersten. «Die ersten beiden haben im Kaffeehaus auf mich gewartet. Der dritte auf meiner Bank in St. Katharinen, ein besonders pikanter Einfall. Bitte lest.»
    Anne las, der Brief enthielt nur wenige Zeilen, und seufzte. «Nun», sagte sie langsam, «die Sklaverei ist tatsächlich eine schreckliche Sache …»
    «Ja, natürlich. Aber darum geht es jetzt nicht. Die Briefe sind von einem ‹Freund der Freiheit aller Menschen› unterzeichnet. Sehr edel.»
    Er legte alle Briefe nebeneinander auf den Tisch und strich sie glatt.
    «Die Schrift ist gut verstellt, ich kenne sie nicht. Aber hier, seht Ihr?» Er zeigte auf das a in der Unterschrift. «Fällt Euch etwas auf?»
    Anne nickte zögernd. «Es sieht sehr fremd aus. Irgendwie falsch.»
    «Es ist falsch, nämlich verkehrt herum. Wie in einem Spiegel.»
    Er ging zum Fenster und sah durch die Scheiben in die beginnende Dunkelheit.
    «Ich habe diese Briefe wieder und wieder gelesen, weil mir irgend etwas seltsam vorkam. Erst heute Morgen ist es mir klargeworden. Es ist das falsche a. Nur eine Kleinigkeit, die kaum auffällt. Aber ich kenne dieses a genau. Als Kinder haben wir oft darüber gelacht. Daniel, ich und – Joachim. Auch wenn er sich noch so bemühte, immer wieder malte er das a falsch herum. Nie einen anderen Buchstaben, nur das a. Zuerst haben wir gedacht, er will unseren Lehrer ärgern. Aber so war es nicht. Er konnte es einfach nicht anders.»
    Anne war leise zu ihm getreten und legte sanft beide Hände auf seine fest verschränkten Arme.
    «Viele Menschen haben Besonderheiten in ihrer Schrift. Warum sollte er diese Briefe schreiben? Selbst wenn er Euch schaden will, was hat das für einen Sinn?»
    «Was hat das
alles
für einen Sinn? Ich weiß es nicht.» Claes wünschte sich, sie möge nie ihre Hand von seinem Arm nehmen.
    «Aber wenn er mich auch nur beunruhigen wollte, hat er sein Ziel erreicht. Einen Tag lang dachte ich sogar, ein Verrückter will mich ruinieren, um die Sklaven zu befreien. Keine Kaufleute, die Zucker und Kaffee kaufen, kein Bedarf an Sklaven. Einer weniger ist nicht viel, aber immerhin ein Anfang.»
    Sie riecht so gut, dachte er und befürchtete, sie könnte seine Gedanken lesen und zurücktreten.
    «Ihr riecht so gut», sagte er, und sie lächelte mit ihren graugrünen Augen und blieb einfach, die Hände immer noch auf seinem Arm, ganz nah bei ihm stehen.
    «Wie schön, dass Ihr es endlich bemerkt.»
    «Herr», Nielsen stand mit rotem Kopf in der Tür und trippelte nervös von einem Fuß auf den anderen, «der Bote von der Börse will nicht mehr warten.»
    Annes Mantel war zu Boden geglitten. Als Claes ihn ihr wieder um die Schultern legte, sah er, dass sie seine Kamee trug. Das machte ihn ganz unsinnig glücklich.
    Trotzdem vergaß er nicht, zwei Laternenträger rufen zu lassen, damit Anne das Matthews’sche Haus am Jungfernstieg sicher erreichte.
    Montagnacht
    Frau Adelus schwitzte. Stöhnend hob sie mit den Füßen das Federbett ein wenig an, aber die frische Luft brachte ihr keine Linderung. Natürlich nicht, denn die Luft war nicht wirklich frisch. Vor vier Tagen hatte sie die Fenster fest verschlossen und seither nicht mehr geöffnet, denn der kleinste Lufthauch würde ihre Krankheit schlimmer machen.
    Sie setzte sich mühsam auf und griff nach dem Krug, den Klara ihr für die Nacht neben das Bett gestellt hatte. Er war schon leer. Sie stellte ihn ärgerlich zurück und ließ sich wieder in die Kissen fallen.
    Frau Adelus war eine unternehmungslustige Frau. Nichts war für sie schlimmer, als untätig im Bett herumzuliegen. Das Fieber hatte sie den ganzen Tag schlafen lassen, und nun lag sie wach, seit Stunden, wie ihr schien, und war ihren Gedanken ausgeliefert.
    Fast zwei Wochen war die Wohnung im dritten Stock schon unbewohnt. Verschenktes Geld, dachte sie grimmig. In der ersten Woche hatte die Pietät sie daran gehindert, die Räume gleich wieder zu

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