Tod & Trüffel
Dunkelheit glasklar. Er fand das weiße Zimmer, welches auf den Balkon hinausführte, wo er den Leitwolf gesehen hatte. Es schien heller als alle anderen Räume, doch zu sehen war niemand.
Auch die anderen schauten sich um. Plötzlich wurde ihm klar, dass zu diesen auch Canini gehörte. Und dass er sich um sie sorgte.
Mit einem Mal waren Geräusche zu hören, von Pfoten auf Stein. Sie kamen näher, die Treppen herauf. Rasend schnell. Es war zu hören, dass sie sich teilten, und plötzlich strömten Wölfe durch die Tür. Acht an der Zahl. Sie fletschten die Zähne.
Etwas tropfte von ihren Schnauzen.
Es war Gülle.
Sie mussten ihre Häupter hineingetaucht haben.
Nun würden sie beißen können, all das Shampoo würde ihnen völlig egal sein.
»Genau hier «, sagte Giacomo. »Hast du jetzt alles begriffen?«
»Ich bin ein Wolf, kein Schaf! Selbstverständlich ist mirder Ablauf klar.« Vespasian ging hinter der kaputten Tiefkühltruhe in Deckung, die in dem Waldstück entsorgt worden war.
»Du wartest hier, verstanden? Keine Alleingänge!«, rief Giacomo ihm zu.
Vespasians Kopf erschien wieder. »Bist du dir vollends sicher, dass du zum richtigen Zeitpunkt hier sein wirst?«
»Heul auf, wenn es so weit ist. Ich finde dich schon. Vertrau mir.«
»Aber ich kenne dich doch kaum!«
»Deshalb heißt es ja Vertrauen, ansonsten wüsstest du, dass du dich auf mich verlassen kannst.«
Vespasian schien nicht überzeugt. Immerhin ging es um sein Leben.
»Kann eine solche Nase lügen?«, fragte Giacomo. »Tja...«
»Die richtige Antwort heißt: Nein, kann sie natürlich nicht. Und jetzt kusch , sonst haut das alles nicht hin.«
Es fühlte sich klasse an, »kusch« zu einem ausgewachsenen Wolf zu sagen, fand Giacomo, und es war noch besser, wenn er auch wirklich gehorchte. Der alte Trüffelhund machte sich auf den Weg. Nun kam alles auf den Faktor Zeit an.
Sonst lagen bald die falschen Leichen am Tiefkühler.
Wenn Giacomo ehrlich war, dann war er sich alles andere als sicher, ob das alles überhaupt hinhauen konnte. Aber die Trüffel in seinem Körper ließen alles viel, viel wahrscheinlicher erscheinen.
Acht Wölfe. Und keiner mit weißem Fell.
Erst jetzt sah Niccolò, dass der Nebel durch das halbgeöffnete Fenster hineinkroch und sich ihm und den Seinen züngelnd näherte, als stünde er mit den Wölfen im Bund. Die Grauen waren ihnen überlegen, daran konnten selbstCarabinieres Masse und Houdinis Wendigkeit nichts ändern. Auch Niccolòs Schnelligkeit war in solch einem kleinen Raum ohne Wert.
»Was sollen wir tun?«, flüsterte Pinkie.
»Ich knöpfe sie mir vor«, sagte Carabiniere. »Ihr flieht. Achtung, gleich geht’s los!«
» Nein! «, erwiderte Niccolò. Die Wölfe senkten ihre Köpfe angriffsbereit, denn sie dachten, es gelte ihnen. Sie schienen auf einen Befehl zu warten.
»Carabiniere, du musst jetzt genau machen, was ich dir sage.«
»Ich kann gegen sie kämpfen, Niccolò. Ein paar werde ich schon erwischen.«
» Hör mir zu! Du springst jetzt durch das Fenster zum Hinterhof.«
»Was?«
Die Wölfe hatten sich kurz Zeichen gegeben, rückten nun näher.
»Tu es einfach!«
Carabiniere tat es. Der schwere Rottweiler brach durch das Glas wie ein mächtiges Geschoss, riss mit seiner Wucht fast den gesamten Rahmen aus dem Fenster und verschwand in der weißen Tiefe.
»Hinterher!«, brüllte Niccolò.
Die Wölfe stürzten sich auf die fliehenden Hunde. Niccolò schaffte es als Erster zu springen, dann folgten Canini, Houdini und als Letzter der Pudel – allerdings nicht mehr völlig intakt. Die Wölfe hatten ein großes Stück seines kunstvoll frisierten Schwanzfells ergattern können.
Pinkie segelte durch das Weißgrau des Nebels und fand keinen Halt darin. Seine Pfoten suchten Boden, doch sie fanden nur Luft.
Dann landete er.
Relativ weich.
Und nass.
Sehr nass.
»Komm! Wir müssen schnell weg, bevor sie unten sind«, rief ihm Niccolò vom Rand des Schwimmbeckens zu. »Schnell! Mach!«
Canini, Houdini und Carabiniere schüttelten ihr Fell aus, während Niccolò auf verräterische Geräusche achtete. Als Pinkie endlich herausgeklettert war, rannten sie wieder los, vorbei an der Treppe, aus dem Tor, auf die Piazza. Wo er über einen Leichnam stolperte, auf dem Boden landete und gleich neben James Dean zu liegen kam, den es also auch schon erwischt hatte. Die Augen des Boxers waren leer. Das schwarze Leder seines Umhangs lag wie eine warme Decke über ihm.
Es blieb Niccolò
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