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Tod & Trüffel

Titel: Tod & Trüffel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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keine Zeit, Abschied zu nehmen. Ein gewaltiger Keiler kam aus dem Nichts auf ihn zu und hob ihn auf die Hauer. Niccolò heulte auf, doch seinen Hilferuf verschluckte der Nebel, als habe er immer noch nicht genug Schreie und Klagen in sich gestopft.
     
    »Es ist das Beste so«, sagte Laetitia und stieg den Hügel weiter empor. Unter ihr lag der Nebel und waberte, als habe er ein Eigenleben. Nichts war mehr von Rimella zu sehen, kein Geräusch zu hören. Merkwürdig war, dass sich sämtlicher Nebel in Rimella zu versammeln schien. Überall sonst bedeckte er gerade einmal den Boden, doch in dem kleinen Dorf türmte er sich meterhoch auf.
    Placidia kam nur langsam nach, immer wieder drehte sie den Kopf, um dem kleinen Zweibeiner auf ihrem Rücken durchs Gesicht zu lecken. »Sein Griff wird immer schwächer«, sagte die junge Wölfin. »Wir sollten Rast machen.«
    »Nein. Dann schlafen sie ein, und wir müssen die Nacht hier verbringen. Es ist nicht mehr weit, ich kann schon den Schein ihres Feuers sehen.«
    »Sie kann schon den Schein ihres Feuers sehen«, echote plötzlich der Wald.
    »Toll, wie gut die Augen der Wölfe sind, oder? Beeindruckt mich sehr«, war von der anderen Seite zu hören, auf der nur niedriges Buschwerk stand. Kein Zweig bewegte sich.
    »Sind die lieben Kleinen auf ihren Rücken nicht süß? Und schaut mal, da ist auch noch ein Wolfswelpe. Mir wird ganz warm ums Herz.« Diesmal kam die Stimme aus dem Wiesenstreifen vor ihnen.
    »Grarr wusste es. Sie werden zu den Menschen gehen, die Kinder zurückbringen. Er ist ein kluger Wolf.«
    »Aber kein wirklich netter, oder?«
    »Nein, nicht wirklich.«
    »Sehr rachsüchtig. Schließlich will er niemanden von ihnen wiedersehen, die beiden Wölfinnen nicht und die beiden kleinen Menschen auch nicht. Nur der junge Wolf darf zurückkehren.«
    »Das ist aber doch sehr großzügig!«
    Dann schlugen sie zu. Sie taten es blitzschnell und gleichzeitig. Laetitia traf es an der Schulter, Placidia erlitt eine Wunde am Rückenende, nahe den Wirbeln.
    Die Lichter der Zweibeiner waren nah, doch die Marder noch näher.
    Laetitia spürte den Angriff, so wie sich eine aufkommende Regenfront bei ihr bemerkbar machte. Es war stets, als würde sie die Tropfen schon auf dem Fell fühlen. Genau so ging es ihr nun mit dem nächsten Biss. Er würde ihren rechten Hinterlauf treffen, sie würde aus dem Tritt kommen, stürzen.
    Sterben.
    Das Kind mit ihr. Und ihr Traum von einem Rudel, das wie wahre Wölfe lebte.
    Vor ihr tauchte ein Wagen auf. Er stand seitlich, mit einerKabine vorne und einer großen Ladefläche hinten. Der Motorraum war geöffnet, Laetitia sah im Mondlicht ein Kabel hervorstehen, samt Bissspuren. Große Bretter waren vor die Reifen gelegt worden, es gab keinen Weg darunter durch.
    Doch darüber hinweg war ebenso unmöglich.
    Sie sprang trotzdem.
    Packte all ihre Wut und Angst in die Schnellkraft der Muskeln, hob ab und spürte, wie ihr Bauchfell über die Kante des Wagens streifte, wie ihre Hinterpfoten sich nur gerade so nicht verhakten, hörte bei der Landung ihre Gelenke krachen, die einen solchen Sprung, samt dem Gewicht des Kindes, niemals zuvor ertragen mussten.
    Doch sie verrichteten weiter ihre Arbeit.
    Auch Placidia hatte den Sprung gewagt und es geschafft. Er hatte ihnen nur einen kleinen Vorsprung gebracht. Aber er reichte, um zu den Zweibeinern zu gelangen.
    Das heißt, diese erreichten sie. Zuvorderst jener, der sein Lager am Waldrand aufgeschlagen hatte. Es sah aus, als würde ein Igel auf seinem Kopf leben. Erst beim Näherkommen erkannte Laetitia den Zweibeiner wieder. Es war jener, der sie aus der Gefangenschaft gerettet hatte.
    Doch dies ließ sie nicht ruhiger werden, denn einige der Zweibeiner hatten Fackeln dabei. Die Marder scheuten zurück, sie wurden zuerst langsamer, dann spürte Laetitia die Verfolgung enden. Sie würden auf ihre Chance warten, oder gleich nach Rimella zurückkehren. Grarr würde sicher nicht glücklich sein.
    Dieses Gefühl war noch schöner als das der Sicherheit.
    Es half Laetitia durch den beginnenden Tumult.
    Der Zweibeiner mit den merkwürdigen Haaren schien das Leittier zu sein, denn es hielt die anderen zurück, die immer näher kamen, sie umkreisen wollten, als stünde ein Angriff bevor. Laetitia knurrte trotzdem zur Sicherheit und kniete sich auf den Boden, damit das Jungtier von ihremRücken gleiten konnte. Placidia tat es ihr nach, doch nur sehr zögerlich, den Hals nach hinten gereckt, damit sie mit ihrem

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