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Tod & Trüffel

Titel: Tod & Trüffel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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Nähe der Kralle, als würde diese ihnen Milch geben.
    Nur noch wenige Schritte, dort am Waldrand. Die Trüffel mussten sich unter den welken Blättern befinden, die vor einer merkwürdigen weißen Kiste lagen. In all ihrer unnatürlichen Kantigkeit fraglos das Werk von Zweibeinern.
    Vorsichtig schob er das Blattwerk beiseite – nur nicht die Trüffel verletzen! Die Erde war bemerkenswert locker, eigentlich zu sehr, es schien, als habe ein anderes Tier sich hier ein Lager angelegt, um die Trophäen für später aufzubewahren.
    Tja, Pech gehabt.
    Er begann sein Mahl. Grarr aß langsam und genüsslich, eine Trüffel nach der anderen verschwand in seinem Schlund, er vergaß die Schmerzen, spürte Leben und Kraft in seinen Körper zurückkehren. Er war so vertieft, dass er Vespasian nicht hervortreten sah.
    Der junge Wolf stieß einen lauten Heuler aus.
     
    Es gab keine kleinen Gruppen mehr, die einem Angriff hätten ausweichen können. Es gab nur noch eine große, verunsicherte Hundemeute, die sich ihre Wunden leckend vor der Kirche versammelt hatte, hinter sich das Eingangstor, auf diese Weise zumindest eine Flanke sichernd.
    »War’s das?«, fragte von ganz hinten Blitz. »Ist es das etwa schon gewesen?«
    »Sie scheinen sogar durch den Nebel sehen zu können«, sagte der Unglaubliche Houdini niedergeschlagen und rieb sich verklumpte Shampooreste an der Kirchenmauer ab.
    »Rückzug ist die einzige Lösung. Kommt, lasst uns sofort los. Wir werden es in Neu-Rimella schon nicht so schlecht haben.« Franca blickte sich um, versuchte Augenkontakt aufzunehmen, forderte Zustimmung ein. Doch sie sah fast nur Angst und Verzweiflung.
    »Und Niccolò mit den Wildschweinen allein lassen?«, fragte Canini. »Was seid ihr nur für Freunde? Schämt euch!«
    »Still, alle«, rief Pinkie und blickte suchend in den Nebel. »Fragt sich denn keiner von euch, warum sie jetzt nicht angreifen? Die müssen doch wissen, wo wir sind. Worauf warten sie nur?«
    Plötzlich tauchte der Brunnen aus dem Nebel auf. Zumindest dachten dies alle. Ja, er schien sich zu bewegen, näher zu kommen. Erst spät erkannten die Hunde, dass sich keine Steine näherten, sondern drei Wildschweine. Das, was die Hunde für ein Stück der Mauer gehalten hatten, die sichrechts von der Kirche erstreckte, waren Wölfe, und die auf sie zuwankende Statue war ein Bär.
    »Sie haben also bloß gewartet, bis sie vollzählig sind«, sagte Pinkie und wollte ein paar Schritte zurückweichen. Die Leiber hinter ihm machten jedoch keinen Platz.
    Dann durchbrachen zwei Geräusche die Nacht. Sie schienen wie ineinanderverkeilt, und doch war auszumachen, von wem sie stammten und was sie bedeuteten. Das lautere, kräftigere stammte von einem Keiler, und es bedeutete »Sieg!«. Das leisere, von Schmerz durchwobene, kam von Niccolò. Kein Wort konnte diese Mischung aus Leid und Enttäuschung beschreiben.
    Dann folgte Stille.
    Sie traf die in die Enge getriebene Hundemeute wie Eisregen.
    Canini war es, die zuerst reagierte. » Für Niccolò! «, schrie sie und rannte einfach los. Die Spanielhündin hatte nur wenige Schritte zurückgelegt, als hinter ihr ein Tumult ausbrach. Jeder wollte ihr folgen. »Für Niccolò !«, brüllten sie, als sei es ein Schlachtruf. Ihre Mäuler aufgerissen, die Krallen ausgestreckt, die Augen wie im Wahn geweitet. Einer gierigen Welle gleich dehnte sich die Masse nach allen Seiten aus. Und die Küste, gegen die sie schlagen wollte, wankte tatsächlich.
    Doch sie wich nicht.
    Nur eine Gruppe der Meute schien ein klares Ziel zu haben, es sah sogar so aus, als flögen ihre Ohren in Erwartung des bevorstehenden Kampfes freudig in die Höhe. Es waren die kleinsten unter ihnen. Und sie hielten auf den größten Gegner zu.
    Die Dachshunde hatten den Bären ins Visier genommen. »Der gehört uns!«, brüllten sie. »Von dem kriegt kein anderer was ab.«
     
    Für einen kurzen, höllischen Moment war er nur Ohr. Wie Blitze durchschlugen die Schmerzen von dort aus Niccolòs Körper. Doch er würde nicht mehr jaulen.
    Der Keiler vor ihm grunzte. Er hatte schon sein Winterfell, braunschwarz und dicht mit langen borstigen Deckhaaren. Eine Rüstung der Natur. Niccolò hatte das Wildschwein sofort wiedererkannt, es war der Anführer der Rotte. Seine gekrümmten Eckzähne waren mit Abstand die mächtigsten.
    »Mähr hast’ nich’ draauf? Komm hä’ Klainä! Winzigä Rattä! «
    Niccolò konnte weglaufen. Das hatte er schon mal geschafft, und da hatten es mehr

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