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Tod & Trüffel

Titel: Tod & Trüffel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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Wildschweine auf ihn abgesehen gehabt.
    »Maach dich plaatt!«
    Der Keiler rannte wieder auf ihn zu. Sein Schritt war kraftvoll, jedoch steif, alle Energie nach vorn gerichtet. Im Galopp legte er bestimmt zwei Meter pro Schritt zurück. Sein Maul war riesenhaft, die Narben auf seiner Stirn bewiesen, dass er es schon oft erfolgreich eingesetzt hatte. Dies war eine alte, kampferfahrene, zutiefst durchtriebene Wildsau. Und in den engstehenden Augen war der Spaß am Töten in Fettdruck zu lesen. Und in Großbuchstaben.
    Niccolò rannte los. Denn er hatte begriffen, dass es nur eines gab, in dem er seinem mächtigen Gegner überlegen war.
    Wendigkeit.
    Deshalb lief er im Kreis.
    Der Keiler hinter ihm her. Er war ebenfalls schnell und konnte sich auch gut drehen. Doch gegen ein Italienisches Windspiel kam er nicht an.
    »Blaib stähään! «, brüllte er.
    Doch das tat Niccolò nur, wenn auch der Keiler aufhörte zu rennen.
    Und dann reizte er ihn. »Was für niedliche Beißerchendu hast! Da sind ja die einer Feldmaus größer.« Zu noch mehr Erfolg führte: »Du hast ja gar kein Fett auf den Rippen. Bekommst wohl nicht genug zu futtern, du arme Sau?« Jedes ordentliche Wildschwein war stolz auf seine Pfunde, je feister, desto besser. Der Keiler war ein Prachtexemplar, doch Niccolò machte trotzdem ein paar Bemerkungen über klapprige Beinchen, ein mickriges Dreifachkinn und einen dürren Hintern.
    Die Kreise zog er immer enger.
    Die Sau setzte ihre Beine nun nicht mehr korrekt. Ab und an glich sie einem Tänzer, der das Gleichgewicht verlor. Niccolò preschte weiter, lief noch schärfer in die Kurve, auch auf die Gefahr hin, vom Wildschwein erwischt zu werden, das nun nach ihm schnappte.
    Doch das tat es sehr ungenau.
    Und immer ungenauer.
    Schließlich kippte es um.
    Und drehte sich auf dem Boden im Kreis. Immer langsamer. Die Erschöpfung presste seine Gliedmaßen immer stärker zu Boden. Schließlich blieb es liegen und kam nicht wieder hoch.
    Niccolò hatte gesiegt.
    »Dann brauchst du mich ja nicht mehr«, sagte eine Stimme hinter ihm. Es war Giacomo. Doch er klang merkwürdig gedämpft. Als Niccolò sich umdrehte, sah er, dass der alte Lagotto Romagnolo sein Maul voll hatte, nun aber einige Trüffel auf den Boden fallen ließ. »Ich hab dich jaulen gehört.«
    Niccolò sah nachdenklich zu dem einzigen Hund, der gekommen war, um ihm beizustehen.
    »Hör zu«, sagte Giacomo. »Ich weiß, du traust mir nicht mehr. Aber ich muss dir noch was erzählen. Der Spürer hat es mir gesagt, es geht um deinen Menschen. Er hat da was ziemlich Wichtiges nicht weitergeleitet.«
    »Dann sag es. Aber mach bitte schnell, ich muss zurückins Dorf, etwas erledigen.« Oder genauer jemanden, dachte Niccolò.
    »Klar, verstehe ich. Also: Dein toter Mensch hat zwar nicht gesehen, wer ihn umgebracht hat. Aber sein letzter Blick, da lag er schon auf dem Boden, fiel auf einen Dobermann. Ich glaube, der Herr deines Verbündeten ist der Mörder deines Menschen.«
    »Warum hat der Spürer es nicht gleich gesagt?«
    »Er wollte keine Zwietracht unter Hunden säen. Das erklärt allerdings nicht, warum er es mir dann doch erzählt hat. Und eigentlich ist er keiner, der sich um die Harmonie unter Brüdern Gedanken macht.«
    Es war diese Unsicherheit, die Niccolò mehr als alles andere glauben ließ, dass Giacomos Worte keine Lüge waren. Und wenn er die Wahrheit sagte, dann hatte er den Feind um Hilfe gebeten.
    Einen Feind, der jeden Moment eintreffen konnte. Er musste zum Dobermann.
    Sofort!
     
    Die Dachshunde hätten es sicher rigoros abgestritten, doch ihre Angriffe ähnelten denen eines aufgebrachten Hornissenschwarms. Nur dass bei diesem keine Befehle gebrüllt wurden wie »In die Nase! Immer in die Nase! Das können Bären gar nicht leiden!«
    Oder solche Antworten gegeben wurden: »So ein Quatsch. Zwischen die Beine, das ist bei allen gleich. Da tut es immer noch am meisten weh. «
    »Nicht labern! Beißen!«
    Etliche Dachshunde hatten sich im Fell des Bären festgebissen und ließen nicht los, obwohl er sich wie ein Karussell drehte und ihre Körper mit Schwung in die kreisende Waagerechte beförderte. Seine Arme bewegten sich wie Windmühlenflügel. Er versuchte panisch, die zeckengleichenDachshunde abzuschütteln. Es sah sehr nach Kirmes aus.
    »Der Hals ist nicht zu hoch!«, rief der letzte Dachshund auf dem Boden. »Da könnt ihr sagen, was ihr wollt. Ich schaff das. Muss nur genug Anlauf nehmen, das ist das ganze Geheimnis. Anlauf plus

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