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Tod & Trüffel

Titel: Tod & Trüffel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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vor ihm aus dem blaugrünen Meer des nächtlichen Waldes erhob, den blanken Steinleib ungeniert im Mondlicht badend. Dortoben würde er sie kommen sehen, mit ihren gefletschten Zähnen, jeden Ausweg abschneidend, das Leitwolfpaar voran, die Stärksten und Zähesten des Rudels. Aurelius hoffte, dass es nicht mehr Schwarzreißer und Blutpfote waren, dass Jüngere sie überworfen und ein neues Kapitel aufgeschlagen hatten, eines, in dem Grarrs Rudel – sein Rudel – nur noch eine fast vergessene Sage war. Die Schritte hoch zum Bergkamm, wo ihm nichts als Warten übrig blieb, fielen ihm schwerer als alle zuvor. Ein paar Mal rutschte er auf dem steinigen, von Sturm und Regen glattgeschliffenen Fels ab, bis er endlich oben angekommen war und der Wind selbst weit entfernte Duftmarken in die Nase des alten Wolfes trieb, ihn die unsagbare Größe des Gebiets erahnen ließ. Ein so ausgedehntes Revier konnte nur ein großes Rudel kontrollieren. Wie viele Wölfe mochten es mittlerweile sein? Zehn? Ein Dutzend? Sogar mehr?
    Durch die Steigung des Bergkamms erspähte er die Gebirgswölfe erst, als sie nur noch wenige Meter von ihm entfernt waren, mit ihren nebeneinanderstehenden Körpern eine unüberwindliche Mauer aus Klauen und Fängen bildend.
    Instinkt, gespeist aus tausenden Jahren von Erfahrung, brachte Aurelius dazu, ebenfalls eine Kampfhaltung einzunehmen. Er senkte den Kopf und begann zu knurren, obwohl er nur reden wollte und bei einem Angriff nicht den Hauch einer Chance hätte.
    Der Leitwolf erhob die Stimme. » Aurelius ?« Er kam näher, sein Rudel folgte ihm in angemessenem Abstand. »Aurelius vom Rudel der Lupa Romana? Kann ich meinen Augen trauen?«
    Es war Aurelius unmöglich, das Knurren zu beenden, denn wer sich ihm näherte, war niemand anderes als Schwarzreißer, der zäheste und unbarmherzigste Wolf, den er kannte. Sein Fell war beinahe vollständig schwarz, undseine Ohren waren fast so spitz wie seine Zähne, was ihn wie eine riesige Fledermaus aussehen ließ. Die Wölfin an Schwarzreißers Seite war nicht dessen alte Begleiterin Blutpfote, sie war jünger, hatte aber wie diese silbernes Fell und eine Blesse am Hals.
    »Er ist es wirklich!«, rief Schwarzreißer. »Dann werde ich mit diesem Eindringling reden, bevor wir alle unseren Spaß mit ihm haben. Was für eine unerwartete Freude!«
    Mit großer Überwindung drehte sich Aurelius auf den Rücken, unterwarf sich, bot seine Kehle dar, den kalten Fels unter sich spürend, wie eine Vorahnung seines baldigen Todes. »Ich bitte um Verzeihung, in euer Revier eingedrungen zu sein, Wölfe der Berge. Doch es geht um Leben und Tod!«
    Schwarzreißer nahm die Unterwerfung nicht an, sondern setzte sich. Er wirkte ganz entspannt, fast amüsiert. »Natürlich geht es um Leben und Tod, Aurelius. Das bevorstehende Ende des einen und den Eintritt des anderen. Bei dir. Ich habe dich, gerade dich, nicht für so dumm gehalten, uns solch eine Gelegenheit zur Rache zu geben. Erzähl deine Geschichte. Wir sind gesättigt und haben genug getrunken, dein Tod eilt nicht. Erzähl und stirb dann. Denn sterben wirst du.«
    Ein junger, noch pummeliger Wolf begann zu heulen, und die anderen stimmten ein, zuletzt Schwarzreißer und seine Gefährtin. Sie sangen den vollen Mond lange an, der Ton des Rudels durchströmte ihre Körper, ließ sie eins werden, den Moment wie frisches, pulsierendes Blut genießend.
    Was die Wölfe der Berge elektrisierte, versetzte Aurelius in dunkle Furcht. Er richtete sich auf und wählte die folgenden Worte mit Bedacht. Auch wenn sein Leben schon verwirkt war, so konnte er vielleicht wenigstens seinem Rudel noch von Nutzen sein.
    »Die Zweibeiner haben drei der unseren getötet. Darf soetwas sein? Wir Wölfe sind die Herrscher des Waldes! Was für einen Eindruck macht ein solches Sterben auf unsere Beute? Ich sage es euch: Unser Rudel wirkt schwach, und damit alle Wölfe, auch ihr! Mein Bruder hat Rache geschworen und bittet um eure Hilfe. Es gibt Unstimmigkeiten zwischen uns, das ist wahr, aber für das größere Wohl sollten wir sie dieses eine Mal beiseitelegen. Es geht um uns alle.«
    Die Wölfe des Bergrudels heulten wieder, doch Schwarzreißer stimmte nicht mit ein. Aurelius konnte erkennen, wie die Wut in ihm aufstieg und die Haare seines Fells hochstehen ließ.
    »Unstimmigkeiten? Du sprichst von Unstimmigkeiten ? Zwischen uns herrscht Krieg, Aurelius.«
    Aurelius hatte genau diese Worte befürchtet. Sie klangen in der windigen Kälte der

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