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Tod & Trüffel

Titel: Tod & Trüffel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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heute zum ersten Mal einen Menschen gebissen. Leider.«
    »Wieso leider?«
    »Gute Nacht, Windspiel.«
     
    Obwohl Vespasian nicht wusste, wie Geister aussahen, suchte er nach ihnen. Er fuhr die fremdartig gemusterten Wände mit seinem Blick ab, lugte hinter die vor den Sichtlöchern hängenden Felle, legte sich flach auf den Boden, um auch unter den großen, weichen Gebilden nachzusehen, ja selbst in der Luft vermutete er sie und achtete genau darauf, wie die Sonnenstrahlen hindurchglitten. Noch größer als die Angst vor einem Geist war jedoch die, zu verschwinden. Einfach so, einen Lidschlag später nicht mehr da zu sein.
    Wie das Haus der Zweibeiner.
    Es hatte sich aufgelöst wie Morgennebel und war nirgends zu finden. Auch von all den Dingen im Inneren gab es keine Spur.
    Gemeinsam mit Commodus hatte er Position im Innern des weinroten Hauses an der Hauptstraße bezogen, das wie von der Sonne geschrumpelt aussah und die kleine Bäckerei sowie eine Wohnung beherbergte. So sicher und vertraut der Wald für Vespasian war, so fremdartig und angsteinflößend war diese warme, eckige Höhle, durch die Treppen führten und deren Böden so flauschig waren. Es waren Käfige ohne Gitter, mit schönem Ausblick und warm. Seine Pfoten wollten sich einfach nicht daran gewöhnen.
    »Alle sind jetzt auf ihren Plätzen«, hörte er Commodus sagen, der in dem einzigen offenen Fenster stand, das zur menschenleeren Straße hinausging. Es war, als würde die Stille von den Häuserwänden widerhallen. Sie schien die Schreie der in die Stadt eingedrungenen Vögel zu übertönen, welche sich auf alles Essbare stürzten, als gäben die Felder und Haine ringsum nichts mehr her.
    »Da kommt etwas!«, rief Commodus. Vespasian stand fasziniert vor dem großen weißen Schrank in der Küche, der in regelmäßigen Abständen brummte und eine unangenehme Wärme ausstrahlte.
    »Hörst du mich? Komm sofort her! Grarr hat gerade den Befehl gegeben.« Commodus drehte sich um, Vespasian fixierend. »Du bist dran. Schnell!«
    Vespasian kam herbeigerannt und sprang auf den Sims, um zu sehen, was dieses Etwas war, das Grarr dazu gebracht hatte, die Verteidigung einzuleiten. Er musste nicht lange warten. Drei grüne Jeeps näherten sich, mit Ladeflächen, auf denen Zweibeiner standen, die hektisch ihre Arme schwenkten, so dass es aussah, als befänden sich riesige Spinnen auf den Wagen. Schlimmer noch waren die Geräusche. Unnatürlichanschwellende Töne, die riesigen Mücken gleich in die Gehörgänge der Wölfe stachen. Dazu kam der Gestank, der Vespasian wie der eines brennenden Waldes vorkam. Flucht, fort vom Feuer, schrien seine Instinkte. Doch dieser brennende Wald roch nicht nach verkohlendem Holz, kochendem Harz und schwelendem Waldboden, sondern war beißend und giftig.
    »Wieso muss ich hinuntergehen? Wo du mir noch etwas schuldig bist. Du hast damals die Leiche der Hündin vor Grarr abgelegt und alles Lob, ich dagegen nur Grarrs Ärger zu spüren bekommen. Geh du hinunter!«
    »Aber das ist doch deine Gelegenheit, Vespasian. Du kannst dich beweisen! Denkst du etwa, ich könnte hier oben Ruhm erlangen? Ich bin nur ein Kontrollposten, sonst nichts. Es ist der Augenblick gekommen, in dem du zum Helden werden kannst. Geh jetzt, Grarr blickt schon zu uns rüber. Sonst wird er dich strafen!«
    Es gab nichts abzuwägen in Vespasians Gefühlswelt. Er hatte schreckliche Angst vor den Zweibeinern, die schließlich ganze Häuser verschwinden lassen konnten, doch noch größer war die Furcht vor den scharfen Hauern Grarrs und der Kralle. Letztere war nirgends zu sehen. Sie konnte überall sein. Konnte ihn retten oder strafen.
    Die bedrohlichen Geräusche wurden lauter, als er sich der Haustür näherte. Nun konnte er auch die grausigen Schreie der Menschen hören. Als er auf die Straße trat, war der erste Wagen nur noch eine Baumlänge von ihm entfernt.
    Dann fiel ein Schuss, zerriss die Luft.
    Und alle Wölfe verschwanden. Keiner war mehr auf den Straßen zu sehen, niemand blickte aus den Fenstern. Sie waren fort.
    Am ganzen Leib zitternd blickte Vespasian aus den Schatten auf das Geschehen.
    Ein Bus erschien, der auf der Piazza Zweibeiner in dreckigenHosen und schweren Stiefeln ausspuckte. Einige von ihnen machten sich sogleich an der Blechbox zu schaffen, die kleine rechteckige Schachteln zeigte. Sie lockerten diese mit silbernen Geräten, die Stöcken glichen. Vespasian kauerte sich immer enger zusammen und wünschte, ein erfahrener Wolf wäre an

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