Tod & Trüffel
nicht mit zu den Wölfen. Das ist viel zu gefährlich für dich. Das werde ich nie und nimmer riskieren. Und wenn ich warten muss, bis du schläfst, um an meinen Koffer zu kommen.«
Sie fing an, weitere Taschen in die Diele zu tragen. Canini erkannte den Beutel mit dem tarnfarbenen Zelt und die löchrige Isomatte, sah das zerbeulte Kochgeschirr und den alten Spirituskocher. Schöne Erinnerungen allesamt an gemeinsame Unternehmungen. Und zur spannendsten sollte sie jetzt nicht mitdürfen! Das würde sie sich nicht gefallen lassen. Wenn Isabella dachte, dass sie Wölfen nicht trotzen könnte, würde sie ihr das Gegenteil beweisen. Canini fletschte die Zähne und nahm Angriffshaltung an.
»Spinnst du jetzt?«, fragte Isabella und trat leicht gegen den Koffer, der daraufhin mitsamt der Hündin umfiel. »Bei dir piept’s wohl, mich anzuknurren! Ich trag jetzt die Sachen runter, und du bleibst hier.« Sie nahm die erste Fuhre, warf die Tür hinter sich ins Schloss und war weg.
Als sie zurückkam, war die Hündin nirgends zu sehen.
»Schmollst du etwa?«, rief Isabella. »Von mir aus gern! Aber mach bloß nicht in die Wohnung, von wegen Protest und so. Du weißt, dass meine Mutter es im Rücken hat.« Es folgte eine Pause, und Isabellas Stimme hatte wieder die Wärme, für die Canini sie so liebte. »Du weißt doch, dass ich dich immer gern bei mir habe. Aber diese Wölfe verhalten sich merkwürdig, und ich will dich nicht in Gefahr bringen. Ich könnte nicht gleichzeitig auf dich aufpassen und sie beobachten. Es tut mir wirklich leid, Prinzessin. Glaub mir, es ist besser so!«
Da sie wieder mehrere Gepäckstücke auf einmal nahm,wunderte sich Isabella auf dem Weg die Treppe hinunter nicht, dass ihre Picknick-Tasche, die sie für ihr Zeltzubehör zweckentfremdet hatte, so schwer war. Das kurze Aufquietschen, als sie die Tasche hektisch auf den Hartschalenkoffer warf, der sich bereits im Mini befand, überhörte sie im Turiner Straßenlärm.
Den Schmerz konnte Canini ertragen, hatte sie doch bei Isabellas letzten Worten in der Wohnung gespürt, dass diese tatsächlich traurig war, allein fahren zu müssen. Sie würde auf ihre Menschenfrau gut aufpassen. Auch in diesem Rimella, nahe dem das Lager aufgeschlagen werden sollte.
Und sie würde endlich Wölfe kennenlernen.
Die Pfoten hingen im kühlen Nass des Baches, der Körper lag am schlammigen Ufer, Feuchtigkeit kroch in das Fell. Aurelius wollte kein Wasser an den frischen Wunden spüren, wollte, dass sie sich schlossen, heilten. Er spürte jeden einzelnen seiner geborstenen Knochen und all seine gerissenen Muskeln, als er sich Richtung Heimat schleppte. Wegen der zugeschwollenen Augen konnte er nicht viel erkennen. Seine Nase war durch den Sturz in eine hochstehende Fichte mit weit ausladenden mächtigen Armen an etlichen Stellen eingerissen und nun so von verschorftem Blut bedeckt, dass nur noch wenig Luft hineindrang.
Es geisterten Bilder durch seinen Kopf, Gestalten im Zwielicht eines Tagtraums, die er roch, da das Leben, welches sich an ihm vollgesaugt hatte, nun wie eine fette Zecke abzufallen drohte. Es waren Bilder aus seiner Jugend, kindliche Spiele mit Grarr, dem Außenseiter, der ihm immer fremd gewesen war und den er doch gegen alle Anfeindungen in Schutz genommen hatte. Nur Erinnerungen des Glücks gab sein Kopf preis, ersparte Aurelius weitere Schmerzen. Laetitia tauchte auf, die Wölfin strich zärtlich an ihm vorbei, ihr Fell so rot wie das eines Fuchses.
Ein kleiner Stock, der gegen Aurelius’ Füße trieb, holte ihn wieder in die Gegenwart zurück. Das langsam fließende Wasser schien kälter geworden zu sein, doch es befreite die Pfoten von Taubheit. Das leise Gurgeln brachte Aurelius wieder zu Laetitia, auf eine gemeinsame Jagd, bei der sie ein altes Reh rissen, Schnauze an Schnauze. Danach spürte er sie dicht an ihn geschmiegt im Winter, während der Schnee ihre Körper bedeckte, hörte ihren Atem, fühlte das Heben und Senken ihres Bauches. Bei den Paarungen hatte sie ihn bevorzugt. Zwar hatte sie sich stets mit jedem männlichen Wolf des Rudels verbunden, so wie es sich seit Urzeiten gehörte, doch öfter mit ihm als mit jedem anderen. Selbst in der Zeit ihrer größten Hitze, wo nur der Leitwolf zu ihr durfte, hatte sie ihn einmal zu sich gelassen, und als der Nachwuchs kam, hatte sie ihm die Welpen zuerst gezeigt, und Aurelius hatte es sofort gespürt. Der kleine Wolf mit dem roten Fleck um eines seiner Augen, Vespasian, war sein
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