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Tod & Trüffel

Titel: Tod & Trüffel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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Sohn. Eine Ehre, die ihm eigentlich nicht hätte zuteilwerden dürfen, ein Geschenk, wie es kein wertvolleres geben konnte. Nie hatte er es zeigen, nie sagen dürfen. Doch oft war er ihm nah gewesen, ohne Verdacht zu erregen, da das ganze Rudel den Nachwuchs großzog. Er hatte ihn erstmals mit auf Patrouille genommen, ihm die Fallen der Zweibeiner gezeigt und die Verstecke der Beute, war dabei gewesen, als Vespasian seinen ersten Hasen erlegt hatte, das Gefühl väterlichen Stolzes durchströmte ihn nun warm, so als fiele Sonnenlicht auf ihn.
    Flügelschlagen war zu hören. Aurelius erkannte daran, dass sich Raben und Krähen neben ihm niedergelassen hatten, das Ende erwartend, sein Aas herbeisehnend. Weitere würden folgen, nur Knochen würden von ihm übrig bleiben und im Licht ausbleichen.
    Ein Schnabel traf ihn an der Schulter. Als er aufheulte, zog sich die fette Krähe wieder zurück. Sie würden von nunan immer wieder prüfen, ob er schon so weit war, ohne Gegenwehr aufgefressen zu werden.
    Er wollte es ihm sagen. Den Blick in Vespasians Augen sehen, wenn er es erfuhr. Er musste es erfahren, bevor es zu spät war. Einige Augenblicke als Vater und Sohn würden ihm noch bleiben, und wenn er in die große Dunkelheit ging, dann sollten Vespasian und Laetitia bei ihm sein, ihn das letzte Stück begleiten, bis sich die Welten trennten.
    Ihm war, als würden die beiden ihm aufhelfen, ihn stützen, verhindern, dass er umfiel. So kam er wieder auf die Beine. Dann ging er hinter ihnen her, wohl wissend, dass sie nicht da waren, nicht bei ihm. Doch sie gingen in die richtige Richtung.
    Über ihm flogen Raben und Krähen, den alten Wolf immer im Blick.
     
    Giacomo hatte gehofft, dass sich die Suche nach Rimella schnell erübrigen würde, weil hier ein Dorf wie das andere aussah, und es niemanden gab, der jemals von Niccolòs Heimatort gehört hatte. Doch dann war dem Windspiel eingefallen, dass Rimella nahe eines Flusses lag. Da es in dieser Gegend nur den Tanaro gab, und Niccolòs Beschreibungen nicht auf die Landstriche zutrafen, die der Fluss Richtung Asti passierte, machten sie sich auf den Weg Richtung Cherasco – was Giacomo sehr recht war. Ein Beagle, den es von dort nach Alba verschlagen hatte, war zum Gespött geworden, weil er im Schlaf immer von ›Baci di Cherasco‹ faselte. Giacomo hatte ihn darauf angesprochen und begeisterte Beschreibungen dieser Schmelzschokolade mit Nusscremefüllung erhalten. Der eingeschlagene Weg war ihm also recht, es war die Art von Glück, die Giacomo Schicksal nannte.
    »Riechst du schon etwas?«, fragte Niccolò und sprang über einen alten Autoreifen, der zerfetzt wie ein überfahrenesTier halb im Fluss lag. Das Wasser leckte nur widerwillig daran.
    »Ja.«
    »Super! Wie weit ist es denn noch?«
    »Wohin?«
    »Na, nach Rimella.«
    »Woher soll ich das denn wissen?«
    »Du hast doch gesagt, dass du was riechst.«
    »Stimmt. Ich riech auch was. Unzählige Sachen. Den stinkenden Reifen da zum Beispiel, aus dem die Hitze alle Widerwärtigkeiten rauskitzelt, die umgestürzte und modernde Eiche da vorne und natürlich die ganze Zeit deinen Hintern, der unentwegt vor meiner Nase wackelt. Aber nichts davon sagt mir, wie weit es noch nach Rimella ist. Und warum? Weil ich keine Ahnung habe, wie Rimella riecht. Mal ganz davon abgesehen, dass Dörfer nicht riechen. Zumindest nicht einzigartig. Die riechen alle irgendwie gleich, es sei denn, sie haben eine Fabrik oder so was, die alles andere mit ihrem Gestank überlagert. Also: Können wir das Thema jetzt beenden und einfach dem Fluss folgen, bis du irgendetwas wiedererkennst?«
    »Ich dachte, mit deiner Nase kann man alles erschnuppern.«
    »Falsch gedacht. Aber ich verrat dir was: Mit meinem Mund kann man alles essen. Und ich wäre dir sehr dankbar, wenn du dich nützlich machen und was finden würdest.«
    Erst als es Nacht wurde, machte Niccolò an einem einsam dastehenden Haus einen Mülleimer aus, in dem sich einige schlecht ausgekratzte Hundefutterdosen befanden sowie drei Ziegenknochen, an denen noch Fleisch und knusprige Knorpel hingen. Sie teilten sich den Fund zu gleichen Teilen, obwohl dies bedeutete, dass Niccolò am Ende deutlich mehr gesättigt war als der größere Giacomo. Doch dieser kannte den Hunger, und er hatte sich mit dem alten Weggefährten schonvor Jahren arrangiert. Zudem fand er, dass ein solches Mahl ohne einen Schluck Wein im Anschluss eh unbefriedigend war. Sie legten sich in ein altes Kinderiglu aus

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