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Tod & Trüffel

Titel: Tod & Trüffel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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verletzte Wolf war getroffen. Er jagte noch auf den Traktoranhänger mit den Schützen zu, aber die Beine gaben nach, das Rennen wurde ein Torkeln, und schließlich fiel er um.
    Die Männer johlten und kamen aus ihrem Versteck, die Gewehre im Anschlag.
    Und sammelten ihre ersten Opfer ein.

 
     
     
    II
    VON DER DICKE DES BLUTES

 
    Kapitel 6
     
     
    WEGKREUZUNGEN
     
     
    D ie Gerüche der anderen Hunde sagten Niccolò, dass er sich inmitten seines alten Lebens befand, doch was die Augen sahen, strafte seine Nase Lügen. Beppo ging falsch. Der federnde Galopp, der seinen langen Bassett-Ohren immer einen besonderen Schwung versetzt hatte, war einem Schleichen gewichen, und auch die langen Schlappohren schleiften nunmehr müde über den kiesigen Boden.
    Giacomo lief schweigend hinter Niccolò her. Seit dem Auftauchen von dessen alter Gang hatte er kein Wort mehr von sich gegeben. Je länger sie gingen, desto weiter entfernte er sich von Niccolò. Der Kopf des kleinen Windspiels war voll von unerfreulichen Gedanken. Zu den Fragen, die sie aufwarfen, gab es keine Antworten. Zumindest keine guten.
    James Dean, Blitz, Knorpel und Franca redeten ab und an, doch sie schienen es stets mit sich selbst zu tun, denn niemand antwortete. Sie waren auf dem Weg zu dem einzigen, der ihnen Antworten geben konnte. Sylvio war wie ein Vater gewesen, für alle Hunde des Dorfes. Nicht weil er der stärkste war oder der erfahrenste, obwohl beides zutraf, sondern weil er die größte Ruhe ausgestrahlt hatte. Bei dem Mastiff schien immer alles unter Kontrolle zu sein. Egal, ob ein Unwetter über sie hereinbrach oder die Hauptstraße von Presslufthämmern aufgerissen wurde. Sylvio gab Halt.
    Der Höhleneingang, an dem Beppo nun stehen blieb, sah mehr wie ein Brunnen aus. Er war nahezu rund, und das Innere schien nicht schwarz zu sein, sondern von dunklemBlau. Noch mehr irritierte Niccolò, dass keine Pflanzen über den Fels wucherten, sie hielten fast gleichmäßig Abstand zur Rundung. Dies war kein Menschenwerk, dies war Natur, doch eine Natur, wie er sie nicht kannte. Trotzdem fühlte es sich an, als würde er nach Hause zurückkehren, in den Schoß der Mutter. Dabei hatte er diese Höhle nie zuvor gesehen.
    »Nur du, Niccolò«, sagte Beppo. »Nur du kannst mit. Sylvio ist sehr schwach.«
    »Giacomo muss ihn auch kennenlernen«, beharrte Niccolò. »Er ist einen weiten Weg gekommen. Er ist der Giacomo . «
    Beppo nickte anerkennend. Wie auch den anderen waren ihm der tiefe Respekt und die Bewunderung für den alten Trüffelhund anzumerken. »Du hast völlig Recht. Dann gehen wir drei. Sylvio wird sich sehr freuen. Es wird ein guter Tag für ihn. Das spüre ich.« Dann wandte er sich zu den anderen. »Sucht ihr inzwischen die guten Pilze. Wir wollen Niccolò doch angemessen begrüßen.«
    Langsam, als ginge er über unsicheres Blattwerk, betrat Beppo die Höhle, deren blaues Licht von einem kleinen Tümpel kam, auf den die Sonne durch eine kreisrunde Öffnung in der Höhlendecke fiel. Es war kalt wie in einem Kühlschrank, nur Moose bedeckten die Wände wie grüne Teppichfetzen.
    Sylvio lag gegen die Wand gelehnt, die Augenlider geschlossen.
    »Er schläft viel, sogar noch mehr als früher«, sagte Beppo. »Es ist wie an Ferragosto, nur jeden Tag.«
    Sylvio hatte immer das Feuerwerk verschlafen, das bei dieser Feier Mitte August stattfand. Irgendwann hatten die Hunde Rimellas begonnen, an diesem Tag nicht mehr ängstlich an den Himmel zu schauen, sondern auf ihren Anführer Sylvio, der so friedlich jeden Böller, jede Explosion auf denTreppen der kleinen Dorfkirche Santi Giacomo e Cristoforo verschlief. Tiefer Frieden ging von ihm aus und nahm allen anderen die Angst vor Querschlägern.
    »Ich dachte, die Erdlawine hätte ihn begraben«, sagte Niccolò. »Ich war doch dabei.«
    »Erinnere dich doch richtig, Niccolò«, sagte Beppo und setzte sich in angemessenem Abstand vor Sylvio. »Du standest bei Cinecitta. Wir haben dich noch gerufen, als wir ihn geholt haben, aber du hattest nur Ohren und Augen für sie. Als wir wiederkamen, warst du weg. Einfach weg.«
    Niccolò ging näher zu Sylvio. Er hatte vermutet, dass ein Schatten auf dem Mastiff lag. Doch dem war nicht so. »Sein Fell«, stieß Niccolò aus. »Was ist damit?«
    »Er putzt sich nicht mehr, unser Sylvio. Franca hat mal ein wenig von dem Dreck weggeleckt, doch er hat sie hinausgescheucht. Also lassen wir es jetzt. Wenn er es so will. Sieht er nicht glücklich aus?«
    »Er ist

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