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Tod & Trüffel

Titel: Tod & Trüffel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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Wieder grölten alle, aber diesmal mischte sich ein weiterer Laut ins Gejohle, was zu großer Erheiterung unter den Männern führte.
    Es war der Laut eines Wolfes.
    Und er hatte Angst.
    Einer der drei Wölfe lebte noch!
    Ohne nachzudenken, heulte Isabella zurück. Das arme Tier musste doch beruhigt werden!
    Das Grölen erstarb, ein Mann schnappte sich das Gewehr vom Beifahrersitz des kleinen Busses und feuerte blind in Isabellas Richtung. Er verfehlte sie nur knapp. Wäre sie nicht gekrochen, die Munition des Narkosegewehrs wäre in ihrer Brust gelandet. Isabella rührte sich nicht, den nächsten Schuss erwartend. Unter der stechenden Sonne zerrannen die Sekunden.
    Dann ging das Grölen wieder los.
    Die Männer mussten alles wohl für einen durch Alkohol verursachten Fehlalarm gehalten haben. Gelobt sei der Wein, dachte Isabella. Als ein scharfer Wind aufkam, verzog sich die Truppe, etliche Weinflaschen in Händen haltend, ins Haus.
    Isabella beschloss, besser nicht noch einmal zu heulen, sondern lieber schnell zu dem großen, hellen Holztor mit den zwei Flügeln zu laufen. Dahinter ging es anscheinend direkt in den Hang. Wenn sie einen Wolf verstecken würde, dann sicher nicht im Haupthaus der Kellerei, das zweigeschossig und mit Säulen im Eingangsbereich ausgestattet war, als sei es eine römische Villa. Es machte jedem Besucher unmissverständlich klar, was der Wein hier kostete, und wer unwürdig war, in diese geheiligten Hallen einzutreten. Ein Wolf würde nur Dreck verursachen.
    Nachdem sie das Tor wie selbstverständlich geöffnet hatte, trat sie seelenruhig herein. Isabella machte sich nicht einmal die Mühe, hinter sich zu schließen. Links und rechts von ihr standen vierfach übereinandergestapelt Fässer, deren Reihen immer tiefer in den Gang führten. Isabella konnte nicht anders, als eines davon zu berühren, um zu ertasten, woher der wunderbar schwere Weingeruch stammte, der den Raum so generös erfüllte. Sie sah nicht, dass kleine Holzkeile die untersten Fässer vor dem Wegrollen bewahrten, und trat im Nähertreten aus Versehen gegen einen. Sie hörte ein schweres Rumpeln. Doch sie drehte sich nicht um.
    Und blickte nicht auf.
     
    Grarr ließ sie nicht in seine Höhle. Das wäre zu viel des Guten gewesen. Sie waren Beute, und schon dass er mit ihnen redete, fühlte sich unnatürlich an.
    »Es ist eine Ehre«, sagte die Krähe und breitete ihre Flügel als Willkommensgruß aus. »Neue Zeiten brechen an. Gute Zeiten! Freundschaft zwischen den Wesen der Lüfte unddenen der Erde mag uns fremd sein, und doch ist es sicher von Vorteil für beide ... «
    »Genug«, unterbrach Grarr. Er hasste Krähen. Wie oft hatte dieses gierige, fliegende Ungeziefer von der durch sein Rudel erlegten Beute vertrieben werden müssen? Nun war er gezwungen, ihre Hilfe anzunehmen. Alle Worte schmeckten wie Gift. Zuvor hatte er schon mit den kriecherischen Steinmardern einen Pakt schließen müssen. Sie würden von nun an die Wagen der Zweibeiner ausschalten, indem sie deren Leitungen durchbissen. Für ihre Hilfe sollten sie einen Kaninchenstall mitsamt seinen Bewohnern erhalten.
    »Lasst uns zunächst zusammen kämpfen, dann wollen wir über die Zukunft reden. Es ist ein erster Versuch. Ihr seid für die Überwachung vom Himmel aus zuständig. Informiert uns darüber, was die Zweibeiner treiben, ob sie sich unserem Dorf nähern, ob sie mit ihren Wagen kommen, ob sie irgendwo etwas errichten oder sich endlich zurückziehen. Wir wollen alles wissen. Kriegt ihr das hin? Mit wie vielen bist du hier?«
    »Wir sind zwölf. Mehr haben wir in der kurzen Zeit nicht zusammenbekommen. Aber wenn du noch mehr von uns brauchst, dann werden sie da sein, sobald es geht. Wir Krähen stehen zu euch. Uns vertreiben die Menschen Tag für Tag von den Feldern, uns schießen sie ab, und unsere Nester, unsere Brut, zerstören sie. Wir sind zu allem bereit!«
    Grarr nickte. »Vespasian wird dich und die Deinen einteilen.«
    Der junge Wolf trat aus dem grünen Schatten der Bäume und führte die Krähen fort. Grarr hatte ihn nach seinem mutigen Angriff auf die Zweibeiner befördert.
    Doch trotz aller Pakte schien Grarr die Zukunft nicht auf alle Zeit gesichert. Deshalb würde er nun den Weg nehmen, den er schon zu lange nicht gegangen war. Aus Furcht,kein Lob, sondern nur Vorwürfe und Missgunst zu hören. Er wollte sich nicht wieder wie ein kleiner, dummer Welpe fühlen müssen. Doch noch weniger wollte er das Falsche tun, zu viel stand auf dem

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