Tod & Trüffel
geht um was Ernstes. Ich bin hier in Rimella, dem Dorf mit den Wölfen. Du hast doch sicher davon gehört. Die Typen von der Baufirma haben gerade drei Tiere erschossen! Kannst du dir so was vorstellen? Ich schleich mich jetzt ins Lager und nehm Fotos von den Leichnamen. Dann hast du einen Aufmacher. Denen machen wir die Hölle heiß.« Isabella warf sich blitzschnell auf den Boden. Nur knapp hundert Meter von ihr entfernt rumpelte ein gelber Kleinbus über den Feldweg. Der Beifahrer hielt ein Gewehr.
»Du, ich muss Schluss machen. Ja, ich pass auf mich auf, natürlich. Eine Sache noch. Was ganz Wichtiges.« Sie erzählte von Canini und legte erst auf, nachdem sie das gewünschte Versprechen erhalten hatte. Mit den Augen folgte Isabella dem Kleinbus, der hinter einer nahen Hügelkuppe verschwand. Der aufgewirbelte Staub lag wie ein brauner Schleier in der Luft.
Sie würde eine andere Route einschlagen, durch das Gebüsch gehen. Isabella wusste nicht, was sie am Ziel erwarten würde. Sicher kein Hochsicherheitstrakt mit Wachtürmen, schließlich war dies ein ganz normales Bauunternehmen. Sie würden die Wölfe jetzt vermutlich verbrennen oder irgendwo verscharren und Beton darübergießen, damit sie nicht gefunden wurden. Sie musste sich verdammt beeilen, wenn sie noch etwas mit ihrem Fotoapparat einfangen wollte. Gebückt lief sie weiter, den Kopf so nah am Boden, dass sie den von ihr aufgewirbelten Staub einatmete.
Domenico würde sagen, dass sie nicht in eine so unmögliche Situation geraten wäre, wenn sie endlich begonnen hätte, ein eigenes Leben zu führen, statt das der Wölfe zu erforschen. Sie würde ihm dann wieder einmal erklären müssen, wie faszinierend diese eleganten, ebenso räuberischenwie zärtlichen Tiere waren, und wie klug. Und er würde es als romantisches Geschwätz abtun und sie daran erinnern, dass das Leben mehr zu bieten hatte und sie sich besser einen Beruf ausgesucht hätte, der sie mit Menschen zusammenbringt.
Wenn der wüsste, dachte Isabella nun und hielt kurz inne, um Luft zu holen. Genau das war ja ursprünglich der Grund gewesen. Sie mit einem Menschen zusammenzubringen, einem Mann. Damals im Biologie-Studium, als dieser gutaussehende, kantige Schotte mit dem wunderbaren Akzent sich auf Wölfe spezialisiert hatte und sie jedes nur erdenkliche Seminar besucht hatte, das irgendwie das Thema streifte, um mit ihm eine Arbeitsgruppe gründen zu können. Die Liebe war schnell erloschen, als sie merkte, dass er sich mehr für sein eigenes Geschlecht als für das ihre interessierte, aber zu diesem Zeitpunkt hatten die Wölfe sie schon längst geschnappt und verschlungen. Die Grauröcke gaben sie nicht mehr her.
Johlen erklang, es mutete ein wenig wie Heulen an. Isabella war fast um die Hügelkuppe herum, begann nun zu kriechen. Das Geschrei wurde lauter, Gläserklirren mischte sich darunter.
Es gab tatsächlich keinen Stacheldrahtzaun und keine Wachtürme mit Scheinwerfern. Stattdessen sah sie Gitterboxen mit Leergut und durch Wellblechdächer geschützte Edelstahltanks. Eine Weinkellerei. Außer ein paar Wagen und Baufahrzeugen deuteten nur die in Rimella abgebauten Zigarettenautomaten, Plakatwände, Satellitenschüsseln und Leuchtreklamen darauf hin, dass hier das lokale Hauptquartier der Tarcisio Burgnich Real Estate Group war. Burgnichs schwarzweiß gestreifter Lamborghini stand vor der Tür. Isabella konnte den kahlgeschorenen Muskelzwerg förmlich vor sich sehen, wie er mit einem Zigarillo im Mund einhändig den Wagen steuerte. Es wunderte sie nur, dass ermit dem teuren Gefährt den unbefestigten Weg hierhergefahren war. Das Wolfsproblem musste ihn wirklich Nerven kosten.
Gut so.
Würde ihn eine Weile vom Partymachen in Turin abhalten, und die Straßen wären wieder etwas sicherer. Isabella wusste, dass sie mit ihrer Meinung ziemlich allein dastand. War Burgnich hitzköpfig? Ja. Angeberisch? Nicht zu knapp. Eine Stütze der Gesellschaft? Unbedingt. Er förderte diverse soziale Projekte, vom SOS-Kinderdorf bis zur Armenküche, und was noch wichtiger war, Burgnich saß im Vorstand von Juventus Turin, Isabellas einziger die Zeiten überdauernder Liebe neben den Wölfen.
Der Mäzen selbst war nicht zu sehen, dafür sieben seiner Bauarbeiter. Sie tranken den Wein direkt aus Flaschen, und ihre Stimmung schien dadurch in Schwung gekommen zu sein. Einer der Männer schlug eine Flasche an der Anhängerkupplung eines Kleinbusses auf, hob sie in die Höhe und sprach einen Toast aus.
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