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Tod & Trüffel

Titel: Tod & Trüffel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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hoben ihre Köpfe.
    So verharrten sie.
    Auch Vespasian blieb stehen, wusste aber nicht, was nun zu tun war. Er traute sich nicht näher, zurück konnte er aber auch nicht. Aus einem Reflex heraus begann er hektisch sein Fell zu lecken, immer wieder aufblickend. Die Kralle stand fest verwurzelt da, nur die Köpfe glitten mal ein wenig in die eine, mal in die andere Richtung.
    Dann setzten sie sich wie ein einziges Wesen wieder in Bewegung und gingen in den Ort, langsam, die Schnauzen hoch erhoben. Alle Gerüche gierig einsaugend. Vespasian beendete sofort seine Fellpflege und folgte ihnen. Sie schienen so konzentriert, dass er sich weiter an sie herantraute. Dies war auch nötig, um sie in den kleinen verwinkelten Sträßchen, durch die sie jetzt liefen, nicht zu verlieren. Vespasians Herz pumpte Angst in seine Glieder, denn dies war im Gegensatz zu Rimella eine Siedlung, in der noch Zweibeiner lebten. Aus manchen Fenstern drangen Geräusche, einmal sogar Schüsse.
    Vespasian fühlte sich wie vor einer bevorstehenden Schlacht. Gegen eine Überzahl von Menschen oder, schlimmer noch, gegen die Kralle. Konnte Laetitia wirklich wollen, dass dies geschah? Sie hatte doch immer versucht, ihn zu beschützen, mehr noch als ihre anderen Welpen. Wenn sich alle ums Fleisch rauften, hatte sie ihm stets ein Stück gebracht, damit er sich nicht in den Kampf werfen musste. Wenn er mit anderen tollte und diese wilder wurden, ihm Schmerzen zufügten, hatte seine Mutter sie zurechtgestutzt. Sie hatte für ihn immer alle Steine aus dem Weg gerollt.
    Wieso hatte sie gerade ihm diese Aufgabe aufgebürdet? Sie hatte es getan, nachdem Aurelius fortgegangen war. Dadurch hatte sie sich verändert. Auf eine gewisse Art hatte sich seitdem alles im Rudel verändert.
    Die Kralle verschwand in einem Haus. Es war neu und kantig, sein Dach flach, Fensterläden fehlten völlig. Vespasian konnte es auf Anhieb nicht leiden. Die Fassade warohne Risse, keine Flecken zeigten Spuren von Leben. Es sah aus wie eine Maschine. Wie konnten Menschen nur darin leben?
    Ein Kind schrie auf, es klang wie eine läufige Katze. Das Kind brüllte laut und ausdauernd. Tauben stoben aufgeschreckt aus dem Dach des großen Hauses neben der Kirche. Es wurde lauter im Inneren des Hauses. Die Kralle musste immer noch drin sein, denn herausgekommen war sie nicht. Etwas klirrte. Die Fensterläden von anderen Häusern öffneten sich, der ganze Ort schien zum Leben zurückzukehren. Immer noch war nichts von der Kralle zu sehen. Die Situation wurde immer bedrohlicher für Vespasian. Bald würde ihn jemand auf der Straße entdecken. Er sollte zurücklaufen, solange er noch konnte.
    Doch wenn es dieses merkwürdige Geschehen war, weshalb seine Mutter die Verfolgung von ihm verlangt hatte, dann musste er gerade jetzt bleiben, dann durfte er nicht fortrennen, wie er es vor Kurzem noch getan hätte und wie es sein Körper immer noch wollte, als bliese ihn ein Sturm zurück nach Rimella. Er musste auf die Kralle warten, genau deswegen war er schließlich hier.
    Plötzlich schossen blaue Blitze durch den Himmel. Sie schienen von überall zu kommen, und ihre Intensität nahm stetig zu. Sie kreisten das Haus und Vespasian ein wie ein Schwarm hungriger Raubvögel. Schnell waren sie an den Häuserwänden zu sehen. Vespasian rannte davon, in die einzige Gasse, die klein und verwinkelt auf die Straße traf, von wo aus er gerade noch die Augen nach der Kralle aufgehalten hatte. Sie war nicht zu sehen. Die Blitze würden sie treffen.
    Vespasian blickte sich kurz um, sah, dass die Blitze aus den sich drehenden Köpfen der Wagen kamen. Nur noch eine kurze Strecke bis in die sicheren Weinberge. Doch Vespasian konnte den Blick nicht von dem Dorf abwenden. Das rhythmisch wiederkehrende Licht der Blitze beleuchtetedort noch etwas. Einen Wolf. Als er bemerkte, dass Vespasian ihn gesichtet hatte, lief er augenblicklich fort. Kräftig gebaut, sein Fell grau, die Vorderbeine schlohweiß.
    Commodus.
     
    Caninis Name wurde gerufen. Es war die Stimme, auf die sie so lange in der Dunkelheit gewartet hatte. Sie wusste nicht wohin vor lauter Freude, drehte sich im Kreis, jagte dem eigenen Schwanz hinterher, kläffte unentwegt, sehnte das Öffnen der Tür herbei, den Sprung in die Arme Isabellas. Endlich wurde der Riegel fortgeschoben, drang Licht herein. Doch als sich ihre Augen daran gewöhnt, als die verschwimmenden Konturen Schärfe gewonnen hatten, da saß zwar Isabella in der Hocke vor ihr, doch ihr Arm lag

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