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Tod & Trüffel

Titel: Tod & Trüffel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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geworden. Glücklich zu sein fühlte sich falsch an. Was würde es für ein Leben sein, wenn er nicht einmal mehr an Wein denken konnte? Geschweige denn ihn trinken.
    Er brauchte dringend Hilfe.
    »Ich bin am Ziel«, sagte der Spürer. »Hier ist noch eine unruhige Seele. Unruhiger sogar als du«, er schien das für einen Scherz zu halten und amüsierte sich. »Eigentlich gut, dass du dabei bist. Ich mag Publikum, denn es neigt dazu, von meinen Taten zu erzählen. Ein wenig Werbung kann nie schaden.« Seit seiner Entlohnung war der Spürer unangenehm gut gelaunt.
    Vor ihnen lag ein toter Wolf mit aufgeschlitztem Bauch, aus dessen unnatürlicher Öffnung sich etliche hungrige Mäuler bedient haben mussten. Auch die Augen des Tieres waren längst wieder in den endlosen Kreislauf der Natur eingetreten. Notdürftig war versucht worden, die Wunden zu kaschieren, doch die Aasfresser hatten sich ihren Weg längst wieder gebahnt.
    Wieder wurde die Welt still. Zwar bewegte sie sich weiter, doch machte sie keinen Laut dabei. Aus dem Maul des Spürers drang ein eisiger Hauch. Diesmal dauerte es nicht so lange wie bei Niccolòs Menschen, bis die ersten Wortekamen. Abermals schienen sie lange Zeit zuvor gesagt worden zu sein, auch wenn sie erst jetzt aus dem Mund des Spürers drangen.
    »Er ist von den Seinen getötet worden, nachdem er von den Wölfen der Berge kam. Diese sollte er um Hilfe bei der Verteidigung des Dorfes bitten.«
    Das fehlte gerade noch, dachte Giacomo, ein Familientreffen sämtlicher Wölfe des Landes. Würde bestimmt nett werden. Vor allem für alle anderen.
    Es wurde alles immer schlimmer.
    »Doch sie weigerten sich. Das ist es aber nicht, was ihn traurig macht. Er wollte einer Wölfin unbedingt sagen, was er für sie fühlt. Weil er es nie zuvor ausgesprochen hat. Niemals richtig. Laetitia heißt sie, und er hier trägt den Namen Aurelius. Er wünscht, dass sie erfährt, wie sehr er an ihr hing, wie viel sie ihm bedeutete. Dass er sie liebte. Genau wie seinen Sohn Vespasian, der bis heute nicht weiß, wer sein wirklicher Vater ist. Es schmerzt ihn, dass er ihm nie sagen durfte, wie stolz er auf ihn ist. Dass er sein größtes Glück war. Jemand müsse das den beiden sagen.«
    Der Spürer biss über der Leiche des alten Wolfes hart in die Luft. »Was für ein elend sentimentaler und weinerlicher Wolf. Eine Schande für seine Art, wenn du mich fragst.« Er beugte sich zur Leiche herunter und riss ein weiteres Stück der Bauchdecke auf, um an die Lungen zu gelangen, die er genüsslich verspeiste. »Brauchst gar nicht so gierig zu hecheln, du kriegst nichts ab. Verzieh dich jetzt! Wir zwei sind fertig miteinander. Du bist es anscheinend sowieso.«

 
    Kapitel 9
     
     
    VON ALTEN UND NEUEN FREUNDEN
     
     
    E s war ein Volksfest, dachte Niccolò, ein Volksfest für Rimella. Die Menschen fielen sich in die Arme und bauten ihre Zelte auf oder schliefen in Bussen, die Gardinen hatten. Fahrende Häuser. Sie erinnerten Niccolò an Schnecken.
    Isabella umarmte die neuen Menschen und schien hocherfreut, wenn sie noch einen weiteren im Wald unterbringen musste. Als sie abends alle beim Lagerfeuer beisammensaßen und auf ihren Gitarren spielten, die Niccolò immer an große Schinken mit einem Loch drin denken ließen, setzte er sich neben Canini, die noch verlorener aussah als sonst.
    »Du bist ein Angeber«, sagte sie, bevor er das Maul öffnen konnte. »Und ein Dieb.« Doch sie ging nicht fort, sie blieb.
    »Bin ich auch ein Angeber, wenn ich behaupte, dass du mich trotzdem gut leiden kannst?«
    »Ein Lügner bist du dann. Sonst nichts.«
    »Soll ich dir Geschichten erzählen, die keine Lügen sind?«
    »Wenn es sein muss. Allerdings muss ich mich jetzt pflegen.« Sie begann sich zu lecken, obwohl ihr Fell makellos war.
    Niccolò erzählte von seinem Leben in Rimella, dem Verschwinden der Menschen, seiner Reise nach Alba, der Zeit im Tierheim, von den Dachshunden und vom Weg zurück. Er schmückte aus, was keinen Tand gebraucht hätte.
    »Dann hab ich die Wölfe gesehen und direkt gedacht: Ihr macht mir keine Angst! Ich führe Giacomo jetzt ins Dorf,damit er Witterung aufnimmt, und wenn ich dafür jeden Einzelnen von euch töten muss.«
    »Fertig«, sagte Canini, stand auf und ging durch das Gewühl von Bastmatten, leeren Flaschen und im Schneidersitz gekreuzten Beinen in den Wald. Niccolò folgte ihr. »Willst du die Geschichte nicht zu Ende hören?«
    »Ich hab Durst«, sagte Canini. »Ich werde ja wohl noch

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