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Tod & Trüffel

Titel: Tod & Trüffel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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Menschen. Wir Wölfe sind Brüder des Feuers.«
    »Hör auf, ihm zuzuhören«, sagte Laetitia, lauter als beabsichtigt, und sah sich danach um. Doch niemand achtete auf sie.
    »Er ist mein Führer und mein Vater. Ich weiß nicht, was er mit der Bluttat an Aurelius zu tun hat. Aber du hast mich immer Gehorsam gelehrt, es war stets das oberste Gebot!«
    »Sag mir endlich, was du gesehen hast.« Laetitia schien selbst erschrocken über ihren scharfen Ton, denn sie leckte Vespasian wie zur Entschuldigung über die Schnauze. »Du bist ein guter Sohn, aber ich kann dir zur Zeit keine gute Mutter sein. Doch hoffentlich bald wieder.«
    Den Kopf von Grarr abgewendet begann Vespasian zu erzählen, was er gesehen, aber nicht verstanden hatte. Dass die Kralle in das Nachbardorf gelaufen war und es dort einen Tumult gegeben hatte, dass Commodus ihn beschattet hatte, und was er vor der Höhle beobachtet hatte.
    »Sie bringen Essen dorthin, immer wieder. Warum, weiß ich nicht. Ich bin nicht hineingegangen, das kannst du nicht von mir verlangen!«
    »Erzähl weiter, Vespasian. Da war noch etwas, oder? Du hast mir noch nicht alles berichtet.«
    »Valentinian, der Welpe von Placidia, er kam aus der Höhle, spielte kurz draußen, und dann ... «
    »Ja?«
    »Dann holte ihn seine Mutter herein.«
    Wieder erhob sich Grarrs Stimme. Nun musste er fast brüllen, um das immer lauter werdende Ächzen des Holzes zu übertönen. »Die Zweibeiner rauben unsere jungen Mütter und Kinder! Ich selbst habe gesehen, wie Placidia und Valentinian verschleppt wurden, in Fallen wie Hasen wurden sie gefangen. Wie Hasen! So, als wären wir Beute. Ist das nicht eine Unverschämtheit, meine Brüder, meine Schwestern und meine Kinder? Ist das nicht eine bodenlose Unverfrorenheit?«
    Das Rudel antwortete mit Geheul. Es schien ihnen neue Kraft zu geben, nur Vespasian und Laetitia nicht.
    Dann krachte es.
    Das Getöse raste wie ein verletztes Tier in der Kirche umher. Ein dumpfes Brechen gesellte sich dazu. Plötzlich schoss Septimus mit brennendem Schwanz herein. Alle Sicherheit, die Grarr den Seinen gegeben hatte, war fort.
    »Die Sakristei, sie brennt! Rettet euch! Der Tod kommt! «
    Grarr sprang wie ein Blitz vom Altar und trieb Septimus vor sich her zum Taufbecken, in das er ihn zu springen zwang. Zischend erlosch die Flamme.
    »Unter die Bänke!«, befahl er, während der Zusammensturz der Sakristei wie Höllenlärm dröhnte. »Lasst uns dieses Feuer gemeinsam durchleben.«
     
    Die Flammen wanderten auf Rimella zu, ließen den Kreis aus Feuer enger werden. Nun gab es keinen Ausweg mehr für jene im Inneren. Es war eine brennende Schlinge, und sie zog sich fester zu.
    Doch plötzlich kam Wasser. Aus denselben Schläuchen wie zuvor, nur diesmal bedeckte es tatsächlich das Feuer, Dampf ersetzte Rauch, er war weißer, schien die Wunden lindern zu wollen, welche die Flammen aufgerissen hatten.
    »Jetzt, wo es sein wertvolles Dorf gefährdet, lässt dieser Mistkerl löschen. Jetzt, wo es ... «
    Sie sagte die nächsten Worte nicht, nur in ihrem Kopf ging der Satz weiter. Niccolò hörte ihn: »... für die Wölfe zu spät ist.« Isabella wollte es nicht aussprechen, da es dann in der Welt gewesen wäre. Dort wollte sie es nicht haben. Lieber eine Hoffnung. Ohne Worte.
    Die Löscharbeiten gingen schnell vonstatten, zuerst waren die Brandherde um Rimella erstickt worden. Länger brauchte man für Sakristei und Kirche, wie auch für das hölzerne Eckhaus am südlichen Ortseingang, das die Flammen innerhalb kürzester Zeit bis auf das Gerippe abgenagt hatten.
    Als sich der Dampf verzogen hatte, fiel das Sonnenlicht auf ein geräuchertes Dorf, das sich benahm, als wäre nichts passiert. Einige Fenster standen offen, Wäsche hing immer noch auf Leinen, Markisen spendeten Schatten. Doch der Ruß verriet die Katastrophe. Und die Straßen waren leblos.
    Bis die Männer in den Ort drangen. Sie johlten und warfen ihre Helme in die Luft, tanzten auf der Piazza, als stünden ihre Schuhe in Flammen. Einer rannte zur Kirche und öffnete das Eingangstor, riss es geradezu auf, und etwas schwappte heraus, eine graue Woge. Statt einer Schaumkrone hatte sie Klauen und Fänge, statt zu rauschen knurrte sie, statt zu versickern breitete sie sich aus und jagte jeden Menschen, der ihr in den Weg kam. Niccolò konnte den Ruf des einzigen Wolfes hören, der still verharrte, dessen weißes Fell zu leuchten schien und der auf den Brunnen der Piazza gesprungen war.
    »Kein Mord«, rief

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