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Tod & Trüffel

Titel: Tod & Trüffel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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Wölfe taten es nicht. Sie hatten nur kurz angesetzt und schnell begriffen, dass der Abstand zu groß war. Sie liefen stattdessen zur Klippe und aßen. Denn Beppo und Knorpel hatten es mit ihren von Marderzähnen durchtrennten Hinterläufen nicht geschafft. Sie waren Beute geworden.
    Ihre Körper wurden in die Luft geschleudert, da jeder an ihnen zerrte, bis die Knochen zerbarsten, und sie zerteilt wurden.
    Die fliehenden Hunde konnten all das riechen.
    Der Gestank lag wie Gift in der Luft.
     
    Laetitia spielte ›Was wäre wenn?‹. Und es machte ihr überhaupt keine Freude. Denn mit allen Fragen war Vespasians Name verbunden. Er war nicht in der Kirche auf seinem Posten, nahe der Höhle befand er sich auch nicht. Sie hatte sich so weit genähert, wie es nur irgend ging, ohne entdeckt zu werden – und war dann noch einen Schritt weiter gegangen.
    Kein Vespasian, kein Hauch seines Geruchs, keine Spuren. Nur einige Wortfetzen konnte sie in Rimella aufschnappen, in denen er vorkam. »... merkwürdig in letzter Zeit ...«, hörte sie am Brunnen, bevor Tiberius und Theophanu tranken, »... bald erledigt ... «, an der Holzbank vor dem kleinen Friedhof. Sie rannte in die Kirche zu Commodus. Sie wusste, das konnte sie in Gefahr bringen, denn Commodus’ Loyalität stand außer Frage. Doch ohne ihren stärksten Verbündeten, Vespasian, wäre sie in noch größerer Gefahr. Commodus war sein Partner. Zwar waren sie zerstritten, doch wenn jemand etwas wusste, dann er.
    Der Wolf mit den schlohweißen Vorderläufen saß imKirchturm. Er schaute missmutig zu Laetitia, als sie die steile Leiter hinaufstakste.
    »Nein!«, sagte er. »Ich werde nicht gegen die Glocke springen. Ihr seid voller Erwartung, wie das klingen mag, doch ich habe den klaren Befehl Grarrs, sie nur im Fall eines Angriffs läuten zu lassen.«
    »Ein guter Platz«, sagte Laetitia und setzte sich neben ihn. Der Wind war hier viel stärker zu spüren, und die Luft war frischer, denn sie hatte keine Zeit in den engen Gassen Rimellas verbringen müssen.
    »Ich werde nicht läuten! Auch nicht für dich.«
    »Eine wichtige Aufgabe, die Grarr dir zugewiesen hat.« Commodus wurde unruhig, zuckte mit dem Haupt. Er war sichtbar nervös. »Was meinst du damit?«
    Laetitia hatte vorgehabt, auf freundliche Art und Weise die gewünschte Information aus Commodus herauszulocken. Doch nun erkannte sie, dass es einen erfolgversprechenderen Weg gab. Er hieß Angst. Laetitia war zäher, agiler als der junge unbeholfene Commodus, und dieser saß nahe am ungeschützten Abgrund. Sie rückte an ihn heran.
    »Was glaubst du denn, was ich meine, kleiner Commodus?«
    » Geh weg! «
    »War ich nicht immer gut zu dir, als du zu uns stießt, ein junger Wolf aus einem fremden Rudel? Viele waren misstrauisch. Ich habe mich deiner angenommen. Andere hätten dich lieber einen Abgrund hinuntergestoßen.« Sie kam noch ein Stück näher. »Ich möchte bloß wissen, wo Vespasian ist. Eine harmlose Frage, wie ich finde.« Commodus konnte nirgendwohin ausweichen, denn der Betonpfeiler des Glockenturms würde sich keinen Zentimeter bewegen.
    »Grarr würde mich umbringen lassen. Du kennst ihn doch, bei Romulus und Remus!«
    »Der Boden der Zweibeiner ist sehr hart. Nicht wahr, Commodus?«
    Wenn sie solch einen jungen Wolf nicht mehr in den Griff bekam, was war sie dann noch wert? Sie mochte nicht mehr die Jüngste sein, aber immer noch fit genug. Und vor allem ausreichend verschlagen.
    »Dir kann es bald genauso wie Vespasian ergehen. Ich werde nichts verraten! Selbstverständlich werde ich dies alles hier mit keinem Wort erwähnen!«
    Noch schaute niemand zu ihnen hoch. Doch das konnte sich jeden Augenblick ändern. » Sprich endlich , sonst langweile ich mich noch und wende mich der Aussicht zu. Wobei von meinem jetzigen Platz aus nicht genug zu sehen ist ... «
    »Sie haben ihn wahrscheinlich abgeholt«, brachte Commodus hervor. Laetitia hörte sein Herz rasen, und bei seinen letzten Worten begann ihres es seinem gleichzutun. »Befragen werden sie ihn, warum er in Lagiorno war und die Kralle beobachtet hat, warum er um die Höhle der Mutter schleicht, und ... « Er stockte.
    Laetitia rückte noch ein Stück näher, den letzten Widerstand brechend.
    Commodus sprach weiter. »... was du vorhast.«
    »Was sollte ich schon vorhaben? Ich gehorche unserem Leitwolf, wie ich es immer getan habe.«
    Es fiel Laetitia schwer, an sich zu halten, das Wilde in ihr wollte freigelassen werden und den Überbringer

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