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Tod & Trüffel

Titel: Tod & Trüffel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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diesemWolf«, stieß Grarr hervor. »Er ist ein großer Jäger, und gerade hat er die Witterung eines Hundes aufgenommen, der zu viele alte Geschichten erzählt.«
    Grarr ließ los. Die Wölfe rannten in den Raum und schubsten Giacomo mit den Schnauzen hinaus, die Treppe hinunter, dass er fiel und sich mehrmals überschlug, bis er hart auf den Pflastersteinen der Piazza landete.
    In diesem Moment wurde dem alten Trüffelhund klar, dass dies mit Abstand der miserabelste Tag seines Lebens war. Nein, das drückte es noch nicht richtig aus.
    Es war der beschissenste.
     
    »Unglaublich, un-glaub-lich! Ihr müsst herkommen. Kommt ihr?« James Dean drehte sich um die eigene Achse. Er jagte vor lauter Aufregung seinen Schwanz, da nichts anderes sich bewegte. Bis Beppo die Augen öffnete.
    »Sind sie schon weg?«
    »Wer?«, fragte James Dean und hörte auf, im Kreis zu rennen, obwohl er fest davon überzeugt war, dass er seinen Schwanz im nächsten Moment bekommen hätte.
    »Die Wölfe natürlich«, sagte der Bassett und hob den scheinbar tonnenschweren Kopf mühsam in die Höhe. »Sind sie endlich weg? Ich will nämlich wieder nach Hause. Und sind meine Menschen zurück? Haben sie auch die Leine? Ich will doch wieder an meine schöne Lederleine.«
    »Nein, Alter. Die einen sind noch da, und die anderen noch nicht. Aber bald ändert sich das, keine Frage. Und ich sag dir, von wo wir das alles beobachten können: von dem supergenialen Aussichtspunkt, den ich gerade entdeckt habe. Erste Sahne!«
    Jetzt erst wurde Niccolò aufmerksam und lauschte James Deans Bericht. Dieser hatte etwas im Gras gejagt. Der Boxer wusste nicht mehr, was es war, aber plötzlich stand er genau an diesem Punkt, der eine unglaubliche Aussicht auf seinHeimatdorf bot. Von dort aus konnte man sogar Einzelheiten erkennen und Wölfe ausspionieren, ohne selber gesehen zu werden, denn Holundersträucher überwucherten die Klippe. Da der Wind zudem stetig von Rimella herkam, konnte man auch nicht gerochen werden.
    Sie machten sich sofort auf den Weg. Vom Dorf aus hatten sie die Klippe schon oft gesehen, doch es war ihnen niemals in den Sinn gekommen, wie wichtig sie einmal werden konnte. Es war nicht weit, und als sie dort standen, wussten Blitz, Knorpel, Beppo, Franca und Niccolò sofort, dass diese Entdeckung mehr wert war als ein gut abgehangener Schinken.
    Zumindest auf lange Sicht.
    Niccolò stellte sich ganz nah an den Abgrund, der unter ihm senkrecht abfiel, als wäre er mit einem großen Brotmesser geschnitten worden. Die Wölfe wechselten gerade ihre Wachposten aus. Das Schlimmste war nicht, der Belagerer gewahr zu werden, sondern ansehen zu müssen, mit welcher Selbstverständlichkeit sie durch die Straßen Rimellas flanierten. Sie schauten nicht ängstlich um Ecken, schnüffelten nicht vorsichtig an Häuserwänden oder sahen sich nach dem richtigen Weg um.
    Sie waren hier nun zu Hause.
    So schön es war, Rimella wieder so nah vor Augen zu haben, so sehr schmerzte dieser Anblick. Vom Zeltplatz aus, fiel es leichter, weil das ferne Dorf irgendwie fremd aussah. Hier wirkte es, als könnte man mit einem großen Satz in die Heimat springen. Niccolòs Erinnerungen hafteten fest daran. Ob an Donadonis Metzgerei, der Trattoria von Marco, Lucas Bäckerei oder der kühlen Kirche Santi Giacomo e Cristoforo, ob an der Piazza, an deren Brunnen sich alle Hunde trafen, am halbverfallenen Haus vom alten Gigi oder an der Mülltonne der Grassos. All diese Erinnerungen wirkten nun bereits vergilbt und blätterten ab wie alte Plakate.
    Als Niccolò sein früheres Haus sah, fiel ihm mit Schrecken auf, dass er schon lange nicht mehr an seine verschwundenen Menschen gedacht hatte. Die Frau und das Mädchen. Sie lebten ja vielleicht noch. Doch er merkte nun, dass sie ihm schon fast egal waren. Wollte er überhaupt wieder zurück nach Rimella?
    Nein. Denn es gab keinen Grund mehr. Seine Sehnsucht, einst wie ein aufgewühlter See, lag nun ruhig und ohne die geringste Wellenbewegung vor ihm. Er wollte zurück zu Isabella. Egal, wo sie steckte.
    Alles andere war ein Traum, aus dem er längst erwacht war. Und er wollte ihn nicht mehr träumen. Über ihm schrie laut eine Krähe, doch er schenkte ihr keine Beachtung.
    Wenn die Sache mit dem Gift klappte, würde er seine Pflicht gegenüber den alten Freunden erfüllt haben, und ein neues Leben könnte beginnen. Je eher, desto besser. Aus irgendeinem Grund verließen sie sich auf ihn, deshalb musste er ihnen helfen die Heimat

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