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Tod & Trüffel

Titel: Tod & Trüffel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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konnten. Als Vespasian das Haupt hob, sein Maul öffnete und Luft holte, um das Geheul auszustoßen, das ihr Ende besiegeln würde, sprach Commodus endlich. »Dann durch die Sakristei! Dort können wir ungesehen verschwinden.Was ist nur aus dir geworden, Vespasian? Du warst mal ein guter Wolf.«
    »Viel zu gut«, sagte Vespasian. »Das ist mir gerade bewusst geworden.«
    Nachdem sie aus Rimella heraus waren, gingen die beiden Wölfe einen weiten Umweg, der genügend Abstand zu den Routen der Wildschweine, den Verstecken der Marder und Schutz vor den Blicken der Krähen bot. Gesprochen wurde nicht viel, denn es galt zu lauschen. Sie näherten sich der Höhle von Westen aus, gegen den Wind, im Schatten der dichtesten Bäume. Ihr Rauschen schloss jeden Laut ein, sie waren ein eingespieltes Team beim Anpirschen. Doch diesmal schien ihre Hilfe gar nicht nötig zu sein, denn vor der Höhle spielte sich nichts ab. Niemand patrouillierte, kein Welpe tollte, es herrschte Stille.
    »Ich weiß nicht, warum ich mit dir gehen sollte. Das hier hättest du auch ohne mich beobachten können«, sagte Commodus. »Du brauchst dich nicht bei mir zu erkundigen, was im Inneren geschieht. Ich weiß es ebenso wenig wie du, Verräter.«
    »Das ist mir völlig bewusst, alter Freund. Deswegen wirst du nun auch hineingehen.«
    » Was? «
    »Sonst wäre doch der ganze Weg umsonst gewesen, du hast es selbst gesagt.«
    »Niemals! Wenn ich entdeckt werde, bedeutet es mein Ende.«
    Commodus klemmte die Rute. Was war nur aus ihm geworden? Früher war er durchtrieben und klug gewesen. Das Verschlagene, Furchtlose schien durch die Zeit in Rimella, auf diesem harten Boden, von ihm abgefallen zu sein.
    »Wenn du entdeckt wirst, sag ihnen, du hättest mich beobachtet, wie ich vor dem Eingang lauere, und dass du dies doch sofort melden musstest.«
    »Es ist mir verboten die Höhle zu betreten, aufs Strengste! «
    »Du willst mich nicht melden? Aber ein Angriff scheint doch kurz bevorzustehen! Hinter mir rascheln die Nadeln der Kiefer, als verberge sich eine ganze Armee dahinter. Aber wenn du nicht willst, gehe ich vor. Falls sie mich fassen, sage ich ihnen, dass du gerade zurück nach Rimella rennst. Damit niemand mitbekommt, dass du zu mir gehörst. Gerne.« Vespasian ging vor, Licht fiel auf sein Fell, ließ den roten Fleck um sein Auge erstrahlen. Doch bevor er vollständig aus der Deckung treten konnte, sprang Commodus hektisch an ihm vorbei und schlich gebeugt zum Höhleneingang, aus dem wieder blaues Leuchten drang. Vespasian hatte für einen kurzen Moment das Gefühl, seine Mutter, Laetitia, sei in der Nähe.
    Wie ein geprügelter Hund trat Commodus in das blaue Auge. Nach kurzer Wartezeit rannte Vespasian genau nach Plan hinterher. Er wollte sich nicht auf die Aussagen seines ehemaligen Weggefährten verlassen, er hatte nur eine Vorhut gebraucht. Als er die Höhle betrat, war das Tageslicht mit einem Schlag entschwunden, nur das blaue Leuchten des kleinen Tümpels blieb. An dessen Rand lag Placidia mit ihrem Welpen Valentinian, der abgemagert wirkte. Doch sie säugte ihn nicht, denn ihre Zitzen waren besetzt. Zwei kleine Zweibeiner tranken daran. Sie waren nackt und nur spärlich behaart. Placidia leckte einem von ihnen ausgiebig das Hinterteil sauber, während der andere die Augen geschlossen hatte und langsam wegdöste.
    Commodus stand vor Vespasian, doch es schien, als wäre er zu einem grauen Stein geworden, einem Zacken, der aus dem Boden stach. Auch Vespasian verharrte. Das Schauspiel vor ihm, so unfassbar es war, hatte eine große Schönheit, einen Frieden. Wie die nackten Welpen dort an der Brust einer Wölfin tranken, so als gehörten Zweibeiner und Wölfezueinander, als seien sie keine Feinde, sondern Brüder, das war wie ein Bild aus einer fernen, besseren Zeit.
    Die Kralle musste die Kleinen in Lagiorno geraubt haben.
    Um den alten, den großen Traum endlich wieder wahr werden zu lassen.
    Einen einzigen Schritt wollte Vespasian näher heran, an dieses Unglaubliche, das seine Welt, den Kampf, plötzlich so nebensächlich erschienen ließ. Seine Pfote glitt nur ein kurzes Stück vor, doch als sie sich wieder auf den Boden senkte, lag dort ein Ast, und er knackte leise.
    Die kleinen Zweibeiner wurden gestört, blickten auf, sahen die beiden unbekannten Wölfe und begannen zu heulen. Es klang wie Katzengeschrei. Verzweifelt versuchte die Wölfin, die jungen Zweibeiner zu beruhigen.
    Plötzlich sprachen die Wände zu Vespasian und

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