Tod & Trüffel
Commodus.
»GEHT ZURÜCK AN EUREN PLATZ UND LASST DIE BRUT DES NEUEN ZEITALTERS IN FRIEDEN. HÖRT AUF EURE MUTTER, SONST WERDE ICH EUCH STRAFEN, WIE NUR ICH ES VERMAG.«
Vespasian kannte Zorn, und er hatte in der Jugend auch den einer Mutter zu spüren bekommen, der alles dunkel überschattete, das er bis dahin zu kennen glaubte. Doch dieser Zorn hier schien über die Jahrhunderte herangereift zu sein, schien die Wut vieler Wolfsgenerationen zu bündeln. Er bereitete ihm körperliche Schmerzen, sein Herz schlug nicht mehr im Takt, es stolperte.
Vespasian und Commodus jagten hinaus, schnappten nach Luft, das Licht folgte ihnen, doch verharrte es im Höhleneingang, wo es wie blauer Dunst wirkte, der in sich selbst Spiralen bildete, ständig in Bewegung wie eine Schlangengrube.
Als er wieder Kraft in seinen Beinen spürte, rannte Vespasian weiter, den schweren Atem von Commodus im Rücken.
Der Weg führte wie von selbst nach Rimella. Doch als der Hügel sich senkte, um zu dem kleinen, an den Hang gedrückten Plateau zu werden, in das sich das Dorf schmiegte, blieben sie stehen, denn ein Wesen rannte in den Ort, das sie noch nie gesehen hatten. Es erinnerte an einen Zweibeiner, doch sein Kopf sah aus wie ein runder Stein, auf dem die Sonne blitzte. Sein Bauch, seine Arme und Beine wirkten wie aufgebläht.
Das Monster nahm den kürzesten Weg zur Piazza. Es schrie.
Dort angekommen führte ihn sein Weg einmal um den Brunnen herum, dabei streckte es beide Arme aus. Dann rannte es wieder zurück. Septimus und Domitian überwanden ihre Angst und attackierten das Wesen, rammten ihre Fänge in Beine und Arme. Obwohl es glückte und sie sich sogar festgebissen hatten, kam das Monster nicht aus dem Tritt. Es wurde nur langsamer, blutete aber nicht. Wie konnte das sein? Floss etwa kein Blut in seinen Adern? Wie konnte es dann getötet werden?
Weitere Wölfe stürzten sich auf den Eindringling und schafften es, ihn zu Fall zu bringen. Eine Zeit lang konnte Vespasian nichts mehr erkennen, da die graue Masse angreifender Wolfskörper das Wesen komplett bedeckte, doch dann erhob es sich mit einem tiefen Schrei und stürzte hinaus aus dem Ort, wo ein Wagen auf ihn zuraste und vier Zweibeiner es auf die Ladefläche hievten.
Dann war der Spuk vorbei. Die Wölfe im Dorf feierten es als Sieg. Sie schienen nun zu glauben, dass kein Wesen sie mehr besiegen konnte.
Kapitel 10: TRÜFFEL
Kapitel 10
TRÜFFEL
B litz war aus Angst vor den Wölfen immer weitergelaufen. Nicht schnell, aber stetig. Irgendwann war er tatsächlich angekommen.
Und wie er angekommen war.
Was er in den neuen Häusern sah, die vollkommen im Lot an der neu betonierten Straße standen, was er in den kahlen Gärten dahinter erspähte, in den Wagen davor und in den wenigen Geschäften, die auf der gegenüberliegenden Seite lagen, das jagte ihm einen wohligen Schauer nach dem anderen über den breiten Rücken.
Er war zurückgekommen, um über all das zu berichten. Doch nun wusste er nicht wie.
»Jetzt gib endlich Laut! Muss ich dich erst beißen, damit du das Maul aufmachst?« Franca kläffte wieder und wieder. Niccolò befürchtete langsam, dass sie ihn wirklich beißen würde. Oder dass James Dean, der nun schon seit Stunden im hohlen Baumstumpf lungerte, bei der Nachricht über einen weiteren Schicksalsschlag nie wieder ans Tageslicht kommen würde. Die Stimmung war gereizt, mehr als das, sie war auf dem absoluten Tiefpunkt, bei dem Hass und Frustration miteinander verschmolzen.
»Sie sind da!«, brach es plötzlich aus dem Chow-Chow heraus. »Ich bin nur geradeaus gerannt, und dann, also da, ich konnte es gar nicht glauben. Aber es ist so, wirklich!«
Franca, deren Maul die ganze Zeit zitternd offengestanden hatte, biss zu. Bei sich selbst, sie jaulte auf und blicktedann wieder zu Blitz nervöser als ein Frettchen auf Glatteis. » Wer? Sag schon! Was ist los? Spuck’s aus!«
Niccolò beobachtete unterdessen. Nicht Blitz, sondern die Umgebung. Er hatte vorgeschlagen, ihr Quartier bei den Menschen aufzuschlagen, da die Wölfe dort keinen Angriff wagen würden. Doch die anderen wollten unbedingt zu diesem entwurzelten Baum, denn er war inzwischen zu einer Art Heimat geworden. Hier war nicht alles in Ordnung, aber zumindest etwas weniger in Scherben als die Welt drumherum. Hier hatten Beppo und Knorpel noch gelebt.
»Unsere Menschen meine ich. Sie leben! In einem neuen Dorf. Es ist strahlend weiß wie Schnee, und so sauber, so etwas habe
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