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Tod & Trüffel

Titel: Tod & Trüffel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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da.
    Nun hatte Niccolò ebenfalls eine Armee. Eine, von der die Wölfe noch nichts wussten, von der ihnen auch ihr Verbündeter Giacomo nichts erzählen konnte. Diesen Vorteil galt es zu nutzen. Es musste schnell gehen. Noch heute Nacht.
    Niccolò lief zurück zum hohlen Baumstamm, in dem sich Blitz und James Dean versteckt hielten. Er berichtete ihnen alles und sah das Leben in ihre Augen zurückkehren, als habe es nur darauf gewartet, endlich aus dem dunklen Tunnel zu kriechen, in den man die beiden verbannt hatte.
    »Sagt schnell dem Dobermann Bescheid! Er und seine Menschen sollen ebenfalls bei Mitternacht zuschlagen. Jetzt zahlen wir den Wölfen und ihren Schergen alles heim.«
    Das Hochgefühl, das durch den Körper des kleinen Italienischen Windspiels floss, war mit nichts zu vergleichen, wases jemals zuvor empfunden hatte. Das Unmögliche schien auf einmal möglich. Niccolò hatte einen Plan. Und es gab einen Hund, den er zur Durchführung unbedingt brauchte. Er rannte ins Gewühl und hörte nicht eher auf, bis er am Ziel war.
    Es war Franca, die sich aufgeregt mit dem rosa Pudel unterhielt, wobei sie immer wieder dessen Lefzen leckte.
    »Ich störe ungern«, sagte Niccolò. Dabei hätte er in diesem Moment nichts lieber getan. »Ich habe einen ganz besonderen Auftrag für eine ganz besondere Pekinesenhündin.« Er sah ihr in die Augen. »Du, meine Schöne, wirst jetzt die Wiedereroberung Rimellas möglich machen.«
     
    Es war, als würden sie ihn anflehen, gefressen zu werden. Buddeln. Fressen. Buddeln. Fressen. Die Welt bestand aus nichts anderem mehr. Manchmal warteten die Trüffel schon dicht unter der Oberfläche auf ihn. Giacomo hatte das genießerische Schlemmen hinter sich gelassen, er war zu einer Fressmaschine auf vier Pfoten geworden. Er war glücklich, dass es etwas gab, das keine blöden Widerworte gab, sich freute, wenn er kam, nett zu ihm war, zu seinen Geschmacksknospen, und gut für die Stimmung.
    Er fühlte sich so unglaublich gut! Ach was, besser, als er sich jemals zuvor gefühlt hatte! Grandios! Göttlich! Er brauchte nichts außer fressen, buddeln, fressen.
    Würgen.
    Der Wald um Giacomo war aufgerissen, als hätte eine Horde betrunkener Maulwürfe die Party ihres Lebens geschmissen. Der alte Trüffelhund hatte so hastig geschlungen, dass er bereits einen Gutteil Erde intus hatte. Doch diesmal war ihm ein größerer Beifang gelungen. Was er in seiner Raserei für eine Trüffel gehalten hatte, war in Wirklichkeit ein Stein gewesen, ein Kiesel, scharf und unwillig, in seinem Magen zu landen. Er verhakte sich im Schlund.Versperrte der Luft den Weg, ließ das Gewebe anschwellen und endgültig den lebenswichtigen Durchgang verschließen.
    Giacomo würgte, schüttelte seinen Kopf, riss das Maul auf. Doch seine Kraft schwand, sein Blick wurde glasig, er wälzte sich auf dem Boden.
    Die Welt war Chaos.
    Dann breitete sich plötzlich Ruhe in ihm aus, und Giacomo hörte einfach auf zu kämpfen. Ein merkwürdiger Moment, um zu sterben, dachte sein trüffelumflortes Hirn. Diese lange Reise, die ihn von Alba bis hierher geführt hatte und von der er dachte, dass es seine letzte sein würde, war doch noch gar nicht beendet. Die Entscheidung stand ja noch aus. Aber wann starb man schon im rechten Moment? Sein Dasein endete zumindest in einem grandiosen Trüffeljahr, und sein Magen war noch nie so voll mit diesen Wunderwerken der piemontesischen Erde gewesen.
    Das Leben hatte sich schon weit entfernt. Bald würde es nicht mehr zu sehen sein.
    Giacomo röchelte.
    Dann wurde seine Welt erschüttert.
    Und alle Luft verschwand für einen Augenblick völlig aus ihr.
    Dies war der Moment, als die Zeit stillstand, Giacomos Uhr angehalten wurde.
    Es war ein Schlag in den Magen gewesen, als habe sich ein Baumstamm in seine Seite gerammt. Er hatte seine Lungen geleert und den Kiesel hinauskatapultiert. Der lag nun, feucht und harmlos aussehend, geradezu lachhaft winzig in seiner Größe, ein gutes Stück vor Giacomo am Fuß einer jungen Eiche.
    Die Luft strömte zurück, und Giacomo schnappte nach mehr.
    »Ihr seid wirklich degeneriert«, sagte eine Stimme. »Esgibt für alles ein rechtes Maß, doch eure Art kennt es weder bei der Wahl eurer Verbündeten noch beim Fressen.«
    Die Trüffel taten ihr Werk und sandten mehr ihrer göttlichen Ingredienzien durch Giacomos Adern. Schnell fühlte er sich wieder besser – wenn auch etwas rau im Schlund.
    »Ich sag jetzt trotzdem mal danke!«, antwortete er und erkannte

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