Tod & Trüffel
den Wolf vom Tümpel wieder. »Schön, dass du ein Herz für Degenerierte hast, Grauer.« Giacomos Laune stieg, und er untersuchte den Wolf, als sei er einer seiner Art. »Du riechst ... wütend. Aber auf eine gute Art.«
Vespasian ging einige Schritte rückwärts. »Du willst mir doch nicht weismachen, dass du das riechen kannst?«
»Na ja, kann ich auch nicht. Doch die meisten würden es mir zutrauen. Aber Recht hab ich trotzdem, oder?«
Der Wolf verließ seinen Platz und stellte sich gegen den Wind. Zu viel preisgeben wollte er wohl nicht, dachte Giacomo amüsiert.
»Ich weiß, wer du bist. Giacomo, genannt die Trüffel. Doch ich hatte dich anders in Erinnerung. Als du mit dem Spürer durch Rimella gegangen bist, warst du beherrschter.«
»Meine Güte, ich hatte Schiss! Normalerweise weiß ich, was von Wölfen zu erwarten ist. Sie sind gern unter sich, meiden die Menschen – aber ihr seid, nun ja, durchgedreht. Da wird man als Hund halt sehr unruhig.«
»Und warum läufst du dann jetzt nicht davon?«
»Och, bitte! Du bist allein, und ich bin größer als du. Außerdem lassen einen Trüffel die Welt anders sehen.«
Giacomo roch, wie das Testosteron in Vespasian hochschoss, wie der junge Wolf überlegte, ob eine Machtdemonstration angebracht war.
Doch er entschied sich anders.
»Ist der Spürer wirklich so, wie alle erzählen?«
Die Trüffel lockerten nicht nur Giacomos Zunge, sondern auch sein Herz, weiteten die Gefäße und ließen heraus, was sich dort verborgen gehalten hatte.
»Der Spürer ist das Allerletzte. Guck mich nicht so an! Nur weil er eine Legende ist, bedeutet es nicht, dass er auch ein klasse Kumpel wäre. Im Gegenteil.« Giacomo ließ sich seitwärts auf den Boden sinken, das Haupt nah am weichen Waldboden, aus dem die Trüffel weiter lockten. »Er wollte alles wissen, jedes Ereignis, jedes verdammte Detail. Er saugte mein ganzes Elend auf, als lechzte er wie ein Verdurstender nach Wasser. Das war seine Bezahlung. Er hat immer weiter nachgebohrt, bis er alle Demütigungen und Niederlagen kannte. Ohne auch nur ein einziges tröstendes Wort. Am meisten genoss er meine größte Angst. Ich erspar dir die Mühe, mich danach zu fragen, es ist eh raus. Ist eine Geschichte geworden. Ich will nicht noch einmal einen geliebten Menschen verlieren. So wie meinen Trüffelsucher. Das ist meine Angst. Wir waren vertrauter als Brüder. Wir waren auf der Suche eins, da gab es keine Einsamkeit, da war die Welt ein geteiltes Reich, wir waren ein Gedanke, ohne Worte, als hättest du einen stillen Beschützer neben dir, der alles über dich weiß und dich trotzdem bedingungslos liebt. Nach seinem Tod und dem Mist mit meinem neuen Besitzer hab ich mich ganz weit weg von allen gehalten, weil ich nicht wieder einen Gefährten verlieren wollte, verstehst du? Das Sicherste war, einfach keinen mehr zu haben. Doch ich dummer alter Hund hab mich wieder drauf eingelassen. Und es ist wieder passiert! Heute habe ich meinen neuen Gefährten verloren.« Er stupste mit seiner Nase in den weichen Waldboden, die warzige Oberfläche einer Trüffel wurde sichtbar. »Dafür habe ich einen alten wiedergefunden. Er ist ein echter Wunderheiler.«
Vespasian blickte sich prüfend um. Doch es war nur der sich im Wind bewegende Wald. Sie schienen sicher. »Undwenn der dich verlässt? Die Trüffelzeit endet schließlich beim ersten Mond.«
»Das ist noch lang hin, findest du nicht?«
»Zeit ist nicht mehr von Bedeutung für mich. Auch mein eigenes Leben ist dies nicht. Ich habe eine Aufgabe zu bewältigen.«
»Meine Güte, das klingt anstrengend. Wenn du Hilfe brauchst, ich hab nichts zu tun. Solange es dich nicht stört, dass ich zur Zeit unter Trüffeleinfluss stehe.«
Der Wolf kam zu ihm und leckte ihm die Lefzen. »Ich kann dich gut leiden, Hund.«
»Wie heißt du eigentlich, Grauer?«
»Vespasian. «
»Ist nicht wahr, oder?« Giacomo rappelte sich mühsam auf und besah sich den jungen Wolf nochmals. »Ich kann keine Ähnlichkeit erkennen. Aber was weiß ich schon von Wölfen.«
»Was redest du wirr! Gefällt dir mein Name etwa nicht?« Vespasian brachte wieder etwas Luft zwischen sich und Giacomo.
»Nein. Ich höre ihn nur nicht zum ersten Mal.«
»Mir war nicht bewusst, dass in Hundekreisen über mich gesprochen wird. Ist das eine Ehre?«
»Kein Hund, ein Wolf. Ein ... ehemaliger. Sein Name ist, war, Aurelius.«
Der Wolf war bei ihm, schneller als ein Weinblatt im Sturm flog. »Was sprichst du da, bei Romulus und
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