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Tod an der Ruhr

Tod an der Ruhr

Titel: Tod an der Ruhr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Kersken
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Grottkamp nicht das fröhliche Liesken Kückelmann wieder, das er einmal gekannt hatte. Dieses Lächeln gehörte der Witwe Elisabeth Terfurth.
    »Du hast dich nicht geändert, Martin«, sagte sie. »Am liebsten wärst du immer noch ein Bauer, nicht wahr?«
    »Du meinst, weil ich’s noch mit den alten Bauernregeln halte?«
    »Ich spür es auch so, dass die neue Zeit nicht deine Zeit ist.«
    Grottkamp widersprach ihr nicht.
    »Der Julius Terfurth und du, ihr seid euch ähnlicher, als du ahnst«, stellte Elisabeth fest.
    In seinem abweisenden Gesicht las sie, dass Grottkamp diesen Vergleich missbilligte.
    Er hat sich wirklich nicht sehr verändert, der Martin, dachte sie. Sein struppiges Haar und sein wuscheliger Bart sind grau geworden. Nun gut. Die Fältchen um seine Augen und die Furchen von der Nase zu den Mundwinkeln, die gab es vor Jahren noch nicht.
    Und doch ist es heute noch dasselbe Gesicht wie damals, mürrisch und streng zumeist, die Menschen auf Distanz haltend.
    Sie kannte auch die anderen Gesichter des Martin Grottkamp, das heiter verschmitzte, das skeptisch fragende und das versonnen träumende, das er ihr damals so oft zugewandt hatte.
    Wie gern hätte sie noch einmal in dieses Gesicht geschaut! Doch sie wusste nicht einmal, ob es noch Träume gab im Leben des Polizeisergeanten Grottkamp.
    »Terfurth ist 1845 nach Sterkrade gekommen, kurz nachdem du weg warst«, sagte sie so, als hätte Grottkamp sie danach gefragt.
    »Er kam aus Sonsbeck. Kennst du das?«
    »Schon mal gehört, ja.«
    »Ein kleines Städtchen auf der linken Rheinseite, in der Nähe von Xanten«, erklärte Elisabeth. »Er ist auf einem Hof groß geworden, wie du. Und auch für ihn war kein Platz. Darum hat er bei einem Bruder seines Vaters das Schmiedehandwerk erlernt. Das Schmieden hat ihm immer Freude gemacht. Doch als sein Vetter, der Sohn des Onkels, alt genug war, hat auch er in der Schmiede angefangen. Und als Sohn des Meisters hatte er schon bald das Sagen, obwohl Julius der bessere Schmied war. Als er begriff, dass auch in der Schmiede auf Dauer kein Platz für ihn war, ist er nach Sterkrade gekommen.
    Zuerst ging es ihm gut hier. In der Hammerschmiede haben seine Kenntnisse ihn rasch vorwärts gebracht. Er könne die Beschaffenheit des Eisens am Klang der Hammerschläge erkennen, hieß es von ihm. Doch ganz allmählich, im Laufe der Jahre, hat er sich verändert. Der dauernde Lärm und die Hektik auf der Hütte haben ihn fertiggemacht. Wenn man von einer kleinen Dorfschmiede in ein Hüttenwerk wechselt, dann ist das so, als hätte man in einem Tümpel das Schwimmen gelernt und müsste nun den Ozean durchqueren, hat er immer gesagt. Irgendwann konnte er einfach nicht mehr. Und dann hat er mit dem Saufen angefangen. Immer öfter hat er von seiner Kindheit auf dem Bauernhof erzählt. Ein Mann war dafür geschaffen, auf seiner Scholle zu leben, davon war er überzeugt. Die Industriearbeit mache einen Menschen kaputt. Und irgendwann, da hat er das alles nur noch gehasst, die Hütte und Sterkrade, das ganze verdammte Höllenleben, wie er es immer nannte. Und alle waren schuld an seinem Elend, nur er nicht. Ich hätte ihn in Sterkrade festgehalten, hat er mir vorgeworfen. Die Kinder, die waren für ihn nur noch die hungrigen Mäuler, die er satt kriegen musste. Und sogar mit dem Herrgott hat er gehadert. In die Kirche ist er schon lange nicht mehr gegangen.«
    Stockend waren die letzten Sätze über Elisabeth Terfurths Lippen gekommen. Jetzt hielt sie inne und wischte sich die Augen. Doch als sie nach einer Weile weitersprach, klang ihre Stimme wieder klar und fest.
    »Ein Elend war es. Im vergangenen Jahr habe ich ihn kaum noch nüchtern gesehen. Wir redeten nicht mehr miteinander. Alle zwei Wochen, wenn Lohntag war, legte er mir zehn Taler auf den Tisch. Das war alles, was uns noch verband. Das Geld reichte. Ich weiß auch, dass es mehr ist, als viele andere Arbeiterfrauen haben. Mit dem Dazuverdienst von der Martha und dem Kostgeld vom Donatus ließ sich ein guter Haushalt führen.«
    Also hat Terfurth Woche für Woche zwei bis drei Taler in den Schänken und Gasthäusern durchgebracht, rechnete Grottkamp sich aus. Verdammt viel Geld! Davon musste manch eine Familie ihr Leben fristen.
    »Der Julius kam nur noch zum Schlafen nach Hause, wenn er überhaupt kam«, fuhr Elisabeth fort. »Ich wusste nie, wo er sich herumtrieb, und zuletzt war es mir auch gleichgültig. Darum habe ich ihn auch in der Nacht zum Montag nicht vermisst. Es

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