Tod an der Ruhr
hart getroffen haben.
Nein, für ihn gab es nur eine einleuchtende Erklärung für das zerwühlte Ehebett. Der Kostgänger der Terfurths, dieser Donatus Jentjen, der gestern an der Unglücksstelle so fürsorglich seinen Arm um Elisabeth gelegt hatte, der war ihr Liebhaber.
Es passte alles zusammen.
Elisabeth war eine unglückliche Frau, seit Jahren von ihrem Gatten vernachlässigt. Und da kam dieser junge Mann, nahm bei mancherlei Arbeit im Haus und im Garten die Rolle Terfurths ein und tat es schließlich auch im Ehebett.
Ein feiner Kerl sei dieser Donatus Jentjen, hatte Arnold Kerseboom gestern gesagt. Der habe kein Interesse daran, mit den anderen jungen Arbeitern zu den Huren zu fahren. Nicht einmal mit den anderen zusammen wohnen wolle er. Er ziehe sein Bett bei den Terfurths den Gemeinschaftsunterkünften vor. Dass es Terfurths Ehebett war, was dieser Donatus bevorzugte, ahnte Kerseboom sicher nicht.
Oft genug, wenn er bei seinen abendlichen Kontrollgängen die Schnapsschänken inspizierte, in denen die jungen Hüttenarbeiter sich betranken, hatte Grottkamp einen von ihnen prahlen gehört, dass er nicht nur Kost und Logis für seinen Mietgroschen bekäme, sondern auch die Gunst der Hausfrau.
Manche Kerle hatten dermaßen unzüchtige Reden über die Schamlosigkeit und die Wollust ihrer Hausmütter geführt, dass er ihnen gedroht hatte, sie wegen Unsittlichkeit in den Pitterkasten zu sperren, wenn sie nicht augenblicklich damit aufhörten. Geglaubt hatte er den jungen Aufschneidern nicht. Dass es in Sterkrade solche Frauen gab, war für ihn unvorstellbar.
Aber was wusste er, Martin Grottkamp, schon von den Frauen? Eine nette Person, wie diese Grete Sander, die wurde zur Landstreicherin und zur Hure. Ein schüchtern dreinblickendes Mädchen stellte schamlos seinen weiblichen Leib zur Schau und ließ ihn fotografisch abbilden. Warum also sollte es nicht auch christliche Ehegattinnen geben, die sich wollüstig ihren jungen Kostgängern hingaben? Eine von ihnen jedenfalls kannte er jetzt. Sie hieß Elisabeth Terfurth und hatte einmal Liesken Kückelmann geheißen.
Grottkamp setzte seine Kappe auf, zog den Schirm tief ins Gesicht und schlenderte bedrückt durch die Grabreihen.
Musste man einer Frau von solcher Verderbtheit nicht auch zutrauen, etwas mit dem Tod ihres Gatten zu tun zu haben? War dieser Trunkenbold Julius Terfurth ihr nicht nur noch im Wege gewesen? Manchmal kam er nachts nach Hause, manchmal auch nicht. Hatte Elisabeth nicht ständig befürchten müssen, dass ihr Ehemann sie bei ihrem unzüchtigen Treiben mit Donatus Jentjen ertappte?
»Guten Tag, Herr Polizeihauptmann!«
Die krächzende Stimme, die Gottkamp aus seinen Gedanken aufschreckte, erkannte er sofort. Sie gehörte Friedrich Balthus, einem kauzigen Alten mit einem schiefen Buckel und einer Haut wie Leder, den man gelegentlich schon riechen konnte, bevor man ihn sah. Doch im Augenblick konnte Grottkamp den Alten, den ganz Sterkrade nur Fritzken nannte, weder riechen noch sehen.
»Hier bin ich, hier unten im Loch«, krächzte er.
Friedrich Balthus verdiente sich als Totengräber und Gelegenheitsarbeiter seinen kärglichen Lebensunterhalt. Grottkamp entdeckte ihn in einer frisch ausgehobenen Grube, in der er beinahe bis zu seinem ledrigen Hals verschwunden war.
»Keine Angst, Herr Hauptmann, is nicht für mich dat Loch. Ich hab mein Leiterken dabei. Hier kommt morgen der Terfurth rein.«
»Hab ich mir wohl gedacht, Fritzken«, sagte Grottkamp.
»Is ‘ne Menge Arbeit im Moment hier aufm Friedhof. Von wegen der Cholera und so weiter«, erzählte Friedrich Balthus krächzend. »Heute die beiden armen Kinderkes vom Schmelzer. Da hinten, wo die frischen Blümkes draufliegen. Und morgen der Terfurth, der Suffkopp.«
Grottkamp nickte dem Alten zu, der sich mit einer Hand auf seine Schaufel stützte und mit der anderen seinen Rücken rieb.
»Jetzt is et aber auch bald genug für ‘nen ollen Sack wie mich. Die Erde is noch verdammt schwer von dem vielen Regen. Aber zum Glück scheint ja jetzt wieder die Sonne. Wissen Sie, die Sonne ist besser für den Buckel als dat feuchte Mistwetter.«
»Ist das Grab nicht längst tief genug?«, fragte Grottkamp.
»So gut wie«, antwortete Balthus. »Wenn ich mit meinem Appel in der Höhe von der Oberkante bin, dann is tief genug.«
»Mit wem?«
»Na, mit meinem Adamsapfel, Herr Polizeihauptmann. Mein Kropf is mein Maßstab, sozusagen. Also nur noch ein paar Schüppkes und dann die Wände noch
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