Tod auf Cabrera - Mallorca-Krimi
nie gesehen.
Nachdem ich festgestellt hatte, dass auch das Kennzeichen gefälscht ist, habe
ich jedenfalls eine Vergrößerung anfertigen lassen.« Sie gab Carmen ein zweites
Foto. Auf dem Dach war nun das Magnetschild lesbar, auf dem in großen Lettern
»Notarzt im Einsatz« stand. Auch das Gesicht des Fahrers war deutlich zu
erkennen.
»Das kann doch niemals ein Arzt sein«, entfuhr es Carmen. »Der ist
doch noch grün hinter den Ohren.«
»Das denke ich auch. Ich habe den Wagentyp durchs Programm laufen lassen
und herausgefunden, dass ein Mietwagen dieses Typs in derselben Nacht auf einem
Feld nahe Llombards abgefackelt wurde.«
»Im Fall Pepe Álvarez, der in Colonia Sant Jordi von einem vermeintlichen
Notarzt getötet wurde, läuft eine Fahndung nach dem Notarztwagen. Gib das Bild
des Jungen mal ein, dann werden wir sehen.« Sie schaute ein weiteres Mal auf
den Fahrer. »Aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass dieser
blond gelockte Milchbubi ein eiskalter Mörder sein soll.«
»Welcher Milchbubi mordet?«, fragte Arantxa Burguera, die gerade an
Carmens Büro vorbeiging. Als Carmen ihr das Foto zeigte, nickte sie. »So sind
sie, vor allem die, die wie ein Engel aussehen.« Sie wollte gerade weitergehen,
da hielt sie plötzlich inne und drehte sich um. »Kann ich das Bild noch einmal
sehen?«
Carmen gab es ihr.
»Den kenne ich.« Anrantxa verzog das Gesicht, und man sah förmlich,
wie sie in ihren Gehirnwindungen wühlte. »Ich denke, den habe ich in der Kirche
gesehen. Ich stand am Gang hinten, und er saß rechts von mir. Da sich die
Familien instinktiv voneinander ferngehalten haben, ist das vermutlich ein
Bauzá.«
Marga Santo nickte anerkennend. »Dann werde ich gleich mal im
Computer nachsehen. Vielen Dank, Frau Kollegin.«
***
Der Besprechungsraum der Policía Local von
Ses Salines war rappelvoll. Die Nachtdienstberichte über die vom Comisario
angeordneten Observierungen standen im Mittelpunkt des Meetings. Und da tat
sich herzlich wenig.
»Mir kommt es vor, als würden die uns vorführen. Wenn sie nicht ganz
blöd sind, haben sie den Braten ohnehin längst gerochen.«
García Vidal sah fast flehentlich zu dem Kollegen der Küstenwache.
»Was tut sich in den Häfen? Ich hoffe, dort steppt der Bär.«
»Es tut mir leid, Sie enttäuschen zu müssen. Es hat sich kein Schiff
losgerissen. Señor Álvarez geht pünktlich zum Dienst und ebenso pünktlich
wieder nach Hause. Einen solideren Hafenmeister kann man sich gar nicht
vorstellen.«
»An den Sonarsperren hat sich ebenfalls nichts getan?«
»Absolut nichts. Da ist noch nicht einmal ein Fisch durchgeschwommen,
der einen Angelhaken verschluckt hat.«
Das Handy des Comisario klingelte. Am Ton konnte er erkennen, dass
es jemand aus seinem Büro war.
»Leute, ich bin gerade mitten in einer –« Er stutzte, dann
hörte er aufmerksam zu. »Okay, ich werde mir sofort ein paar Leute schnappen
und ihn mir greifen. Mal sehen, was er zu den Vorwürfen zu sagen hat. Danke,
Carmen.«
Er schaute sich im Raum um. »Kolleginnen und Kollegen, wir haben im
Mordfall Pepe Álvarez eine heiße Spur. Der falsche Notarzt scheint in eine
Radarfalle getappt zu sein. Die Kollegen konnten den erst achtzehnjährigen
Enrique Bauzá identifizieren. Den nehmen wir uns jetzt zur Brust. Vamos , auf in die Carrer Porrassaret.«
Innerhalb von Minuten hatte die Policía Local die gesamte Umgebung der kleinen Straße hermetisch abgeriegelt, was García
Vidal nur mit Widerwillen zur Kenntnis nahm. Ein bisschen weniger Aufsehen
hätte der Sache seiner Meinung nach weit mehr gedient. Der örtliche Polizeichef
wollte es sich aber offenbar nicht nehmen lassen, mit Masse und Präsenz vor den
Bundespolizisten zu glänzen. Innerhalb von Minuten wusste leider die ganze
Stadt, dass es den Bauzás irgendwie »an den Kragen« ging.
García Vidal stieg mit zwei Beamten der Guardia
Civil aus dem Dienstwagen und klingelte. Señora Bauzá Cantratx öffnete.
» Bon dia , Señor Comisario, womit kann ich
Ihnen helfen?«
»Ihr Enkel Enrique wurde bei einer Verkehrskontrolle mit einem
Notarztwagen geblitzt.«
»Enrique ist mein Großneffe. Mit einem Notarztwagen, sagen Sie?«
» Sí , Señora.«
»Er fährt aber keinen Notarztwagen. Das wüsste ich.«
Aus dem Inneren des Hauses rief eine verzweifelte Stimme: »Geh
sofort von der Tür weg Tante, sonst muss ich dich erschießen!«
García Vidal reagierte geistesgegenwärtig. Er packte die Frau an den
Schultern und zog
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