Tod auf Cabrera - Mallorca-Krimi
Mannschaftsstärke
des U-Boots von normalerweise siebzig auf unter zwanzig Mann verringert hatten,
damit es sich für alle Beteiligten lohnte. Um sich bei Entdeckung wehren zu
können, waren die Torpedorohre bestückt, ein Nachladen wäre aber wegen der
fehlenden Kampfbesatzung nicht möglich gewesen.
Die Agenten waren schon bei der ersten Fuhre ans Festland dabei. Das
Zodiac hatte noch nicht vom U-Boot abgelegt, da sah Mira schon das Signal.
Vorsichtig aktivierte sie den wasserdichten Sender. Wenn alles klappte, würde
dem ersten Offizier im Leitstand jetzt optisch und akustisch angezeigt, dass
die Torpedoklappen geöffnet waren. Es müsste sofort der Befehl erfolgen, die
Kappen wieder zu schließen, doch weil der Sender das Signal umgekehrt hatte,
würde genau das Gegenteil passieren. Der wachhabende Offizier schlief nicht,
und die Klappen der sechs Fronttorpedos öffneten sich.
Jetzt musste Mira sich beeilen. So schnell sie konnte, fixierte sie
jeden der sechs Torpedoköpfe mit vier Holzkeilen. Wenn jetzt einer von ihnen
durch Pressluft aus dem Rohr getrieben werden sollte, gäbe es einen sogenannten
Rohrkrepierer. Nach getaner Arbeit drückte sie den Senderknopf erneut. Das
Spiel wiederholte sich, und prompt schlossen sich die Torpedoklappen wieder.
Wenn die Besatzung fit ist, dachte Mira, schicken sie jetzt jemanden
ins Wasser, um die Klappen auf Sicht zu prüfen. Sie schwamm in Deckung. Und
wirklich, schon nach Minuten wurde ein Taucher, durch ein Seil gesichert, vom
Deck aus ins Wasser gelassen. Er schwamm um den Bug des Schiffes herum und
überprüfte jede Klappe einzeln. Ob sie richtig verschlossen waren. Als er
wieder an Bord ging, waren auch die restlichen Flüchtlinge übergeben worden,
und das U-Boot stach wieder in See.
Es war nun die Aufgabe der spanischen Marine, das Boot aufzubringen.
Dass die Besatzung dem Befehl, unverzüglich aufzutauchen, nachkommen würde, war
kaum zu erwarten. Durch den Abschuss eines Torpedos hatten sie sich bei anderen
Gelegenheiten schon zweimal aus der Affäre ziehen und flüchten können.
Zufrieden machte sich Mira auf den Heimweg.
Gegen vier Uhr vierzig war die Explosion sogar noch auf Cabrera zu
hören. Zu dieser Zeit hatte Mira den Weg in die Cala Llombards schon zur Hälfte
hinter sich. Gegen sieben Uhr dreißig erreichte sie erschöpft, aber guter Laune
den Strand. Die erfolgreiche Durchführung ihres Auftrags sicherte ihr den
ehrenhaften Abschied aus der Armee und ihren Pass. Was ihr aber viel wichtiger
war: Fatma konnte ihre Ruhe finden.
In der Cala Llombards waren um diese Zeit schon die ersten Frühschwimmer
im Wassser, als Mira wie aus dem Nichts plötzlich angeschwommen kam.
»Wo kommen Sie denn her?«, fragte eine Dame auf Deutsch.
»Aus dem Meer.«
»Aus dem Meer, wie kann das denn sein?«
Mira lächelte sie an. »Ich bin eine Meerjungfrau.«
Die Dame wurde ungehalten. »Reden Sie doch keinen Blödsinn.
Meerjungfrauen gibt es gar nicht. Außerdem haben die Fischschwänze. Sie haben
zwei Beine, also was soll der Quatsch?«
Mira schaute betroffen an sich herunter. »Jetzt weiß ich endlich,
warum die mich da unten rausgeschmissen haben.«
Sie ging zum Parkplatz, wo sie wie verabredet den Jeep der Gräfin
vorfand. Einer ihrer Mitarbeiter hatte ihn pünktlich dort abgestellt und den
Schlüssel auf dem linken Hinterreifen deponiert.
Trotz ihrer Müdigkeit fühlte sich Mira wie neugeboren. Für sie begann
mit dem heutigen Tag ein neues, wunderschönes Leben.
13
Carmen gehörte natürlich wieder zu den Ersten im Santanyíer Büro der Policía Nacional . In der Linken einen großen Pott
Kaffee und in der Rechten einen Stapel Berichte über die vielen aufgelaufenen
Kleinigkeiten der letzten Tage balancierend, versuchte sie, unfallfrei ihr
kleines Büro zu erreichen. Davor wartete schon Marga Santo auf sie, ein Foto in
der Hand.
»Gut, dass du kommst. Ich habe hier ein kleines Problem.«
»Dann schieß mal los.« Carmen öffnete die Bürotür mit ihrem
Ellenbogen, und beide Frauen traten ein.
»Vor fünf Tagen ist auf der MA 6100 zwischen Ses Salines und
Colonia Sant Jordi ein Notarztwagen geblitzt worden.«
»War er im Dienst?«
»Nein. Der war noch nie im Dienst. Den gibt es gar nicht.«
Nachdem sich Carmen ihrer Last entledigt hatte, griff sie nach dem
Foto, das ihr die Kollegin vor die Nase hielt. »Das ist kein Notarztwagen. Die
von der Gemeinde sind gelb, und andere gibt es nicht.«
»Solche Notarztschilder fürs Autodach habe ich auch noch
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