Tod auf Cabrera - Mallorca-Krimi
sie mit einem Ruck auf die Straße. Ein Schuss ertönte, und
Holzsplitter von der Haustür stoben herum. Bevor die völlig entgeisterte Señora
überhaupt etwas sagen konnte, griffen auch die beiden Beamten zu, und zu dritt
schleppten sie die zappelnde Frau hinter ihren Streifenwagen in Deckung. Sie zogen
ihre Waffen und hielten sie im Anschlag.
»Enrique, hier ist Comisario García Vidal. Gib auf, mein Junge. Mach
nicht alles noch schlimmer.«
»Gehen Sie weg von der Straße und verschwinden Sie überhaupt aus Ses
Salines. Ich spreche nicht mit Ihnen.«
Während García Vidal weiterhin erfolglos versuchte, mit dem
verschreckten Jungen Kontakt aufzunehmen, alarmierte einer der beiden
Polizisten über Funk das Comando Policial de Operaciones
Especiales , von dem einige Beamte schon zu Anfang der Observierungsaktion
vorsorglich in Ses Salines stationiert worden waren. Innerhalb von Minuten
waren die Kollegen in Position.
Ein gepanzertes Polizeifahrzeug fuhr vor und brachte Señora Bauzá
Cantratx in Sicherheit. In kurzen, sehr sachlichen Sätzen beschrieb die alte
Dame ihr Haus und erklärte, wo sich der Junge schon seit seiner Kindheit immer
versteckte, wenn es ernst wurde. In einem alten Schrank, der schon seit über
hundert Jahren das Entree der Bauzás zierte. Außer ihm und dem Hund war niemand
im Haus.
Innerhalb kürzester Zeit drangen mehrere Beamte über den großen Hof
von hinten in das Haus ein, sodass nur noch die Diele ungesichertes Terrain
war. García Vidal öffnete auch den anderen Flügel der Haustür und schaute
vorsichtig in den dunklen Raum. »Enrique, mach keinen Quatsch. Noch kann ich
dir helfen. Wenn du erst jemanden erschossen hast, nicht mehr.«
Der Junge schob wortlos die Schranktür von innen auf und schaute
vorsichtig heraus. Plötzlich explodierte direkt vor dem Schrank eine
Blendgranate, und ein Schuss peitschte durch den Raum. Enriques Waffe flog im
hohen Bogen davon, als der Treffer in seiner Schulter den Jungen förmlich in
den Schrank zurückschleuderte. Die Beamten des Sonderkommandos stürmten die Diele
und zogen ein völlig paralysiertes, greinendes Wesen aus dem Schrank. Ohne
Rücksicht auf seine Verletzung zu nehmen, warfen sie Enrique auf den Boden und
drehten seine Arme auf den Rücken. Er brüllte dabei wie ein angeschossenes
Tier.
Mit gefesselten Händen wurde er auf eine Trage gesetzt, die zwei
Sanitäter hereinbrachten. Noch im Entree untersuchte ihn ein ebenfalls
alarmierter Notarzt.
»Der Junge ist transportfähig«, sagte der erfahrene Mann ruhig. »Nur
ein Steckschuss in der Schulter. Wie es aussieht, sind keine lebenswichtigen
Gefäße verletzt.«
Nachdem der nunmehr schweigende Enrique fertig untersucht und
notärztlich versorgt war, versuchte García Vidal noch einmal sein Glück. »Hör
mal, mein Junge, das Spiel ist aus.«
»Nein, Señor.« Der Junge begann, wirr zu lachen. »Das Spiel, wie Sie
es nennen, beginnt erst richtig, wenn Sie mich nicht sofort wieder freilassen.«
»Du weißt, dass das nicht möglich ist, aber du hast es nicht anders
gewollt. Enrique Bauzá, ich verhafte Sie hiermit. Sie stehen in Verdacht, Señor
Pepe Álvarez getötet zu haben. Alles, was Sie nunmehr sagen, kann gegen Sie
verwendet werden. Sie haben das Recht, sich einen Anwalt kommen zu lassen.
Sollten Sie keinen kennen, so wird Ihnen ein Pflichtverteidiger vom Staat
gestellt. Haben Sie mich verstanden?«
Enrique reagierte gar nicht auf seine Worte, er lachte nur hysterisch.
Der Comisario gab den Sanitätern das Zeichen, dass sie den Jungen nun wegtragen
durften. Kurz bevor sie aus der Haustür traten, drehte der sich um und brüllte
fast triumphierend. »Mi dueña me vengará!«
Enriques Kopf war kaum im Sonnenlicht, da heulte in der Ferne ein
Motorrad auf. Wie ein Pfeil schoss es gleich darauf aus einem Feldweg und bog
mit halsbrecherischem Tempo nach rechts in die Carrer Porrassaret ein. Der
Sozius hatte alle Hände voll damit zu tun, sich auf der Geländemaschine halten
zu können. Der Fahrer fuhr auf den Bürgersteig und hielt direkt auf die
Sanitäter mit der Trage zu. Der Beifahrer zog eine Maschinenpistole aus seiner
Lederjacke und begann zu feuern. Einer der Sanitäter brach getroffen zusammen,
der andere ließ sich hektisch nach hinten in den Hausflur fallen. Die Trage
fiel krachend zu Boden. Je näher das Motorrad kam, desto präziser saßen die
Treffer. Der auf seiner Trage festgeschnallte Enrique hatte keine Chance. Von
Schüssen durchsiebt, war er
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